Kehraus fuer eine Leiche
Hause den Müll rausbringen soll. Und dann führt eins zum anderen, und der Hein droht, wieder nach Köln zu ziehen. Hab ich ja immer schon gesagt, dass er hier nicht glücklich ist.«
Gut möglich. Heins Frust, als Hinterwäldler am Existenzminimum herumzukratzen, könnte sich an einer solchen Kleinigkeit entladen. Beziehungen zerbrechen an Haaren im Waschbecken, an nicht zugeschraubten Marmeladengläsern, an Dreckspuren auf dem Parkett, an herumliegendem Laub, eben am Alltag. Den ich Marcel und mir schon deshalb nie zumuten werde.
Hein taucht am späten Nachmittag wieder auf. Er wirkt zwar zerfahren und kaut an etwas herum, aber er ist nicht am Boden zerstört.
»Alles in Ordnung?«, frage ich vorsichtig.
»Natürlich«, antwortet er knapp und beginnt, die Tische zu decken. »Wir brauchen frische Blumen. Ich fahre nachher zum Belgier und hole welche.«
»Wenn ihr Geld braucht, kann ich euch aushelfen. Das weißt du«, platze ich heraus.
»Wir brauchen dein Geld nicht!«
Wie aus der Pistole geschossen. Feindselig. Als hätte ich ins Schwarze getroffen. Also gab es wohl einen Streit ums liebe Geld. Mit verspäteter Rücksicht auf seinen Stolz werde ich Hein kommentarlos den Bonus überweisen, den er sich ohnehin redlich verdient hat.
»Mit Jupp alles in Ordnung?«, hake ich nach.
»Ja«, sagt er, zögert und setzt dann hinzu: »Ah, die Gudrun hat geplaudert. Heute Mittag war er eben nicht gut drauf.«
Gudruns Interpretation sah anders aus. Bei Problemen anderer neigt sie selten zu Übertreibungen.
»Warum nicht?«
Angelegentlich streift er nicht vorhandene Krümel vom Tischtuch.
»Sprich mit ihm morgen«, bittet er mich leise. »Bring ihn bloß davon ab, diesen Jacuzzi herzuschleppen. Den brauchen wir hier ganz und gar nicht.«
»Jacques Uhsi?«, frage ich misstrauisch. »Wer ist das denn?«
Hein starrt mich verstört an. Ich frage mich, ob mir etwas entgangen ist. Ein belgischer Waldarbeiterkollege, dem Jupp verfallen sein könnte? Ist bei den beiden die Stimmung im Keller, weil das Unerhörteste, Unerwartetste geschehen ist, sich nämlich der allzeit treue Jupp anderweitig umgesehen hat? Das würde vieles erklären.
Hein errötet. Seine Augen werden nass. Und dann bricht er in schallendes Gelächter aus.
»Jacques Uhsi!«, tönt er und wischt sich die Tränen von den Wangen. »Ich spreche von einem Whirlpool, Katja.«
»Jacuzzi«, murmele ich und begreife endlich, wie Gudrun zumute gewesen sein muss, als ich sie früher mit großstädtischen Vokabeln verwirrte. »Was soll ein Jacuzzi hier?«
»Genau. Habe ich dem Jupp auch gesagt.«
Ich erfahre, dass die Holländer, denen Jupp in Ormont ein Haus renoviert, Energiesparfanatiker sind. Darum haben sie Jupp gebeten, den nagelneuen Außen-Whirlpool des Vorbesitzers abzubauen und loszuwerden. Und da sei Jupp auf die bescheuerte Idee gekommen, die Einkehr um ein Wellness-Angebot zu bereichern. Einen unsinnigeren Grund, einen Streit vom Zaun zu brechen, kann ich mir nicht vorstellen. Einen Jacuzzi hinter meinem belgischen Wohnhaus hingegen schon.
Ich brauchte mich nicht selbst in frischer Luft zu bewegen, sondern überließe dieses den Düsen, die meinen müden Korpus nach getaner Arbeit in warmem Wasser massieren würden. Auch meinem einzahnigen Krokodil könnte ein artgerechtes Habitat behagen, überlege ich. Da das Tier in meiner Haut augenscheinlich keine Rückzugsabsichten hat, sollte ich lernen, mit ihm zu leben. Ihm entgegenkommen, damit es mich nicht quält.
»Er soll ihn herbringen, den Jacques Uhsi«, sage ich, »und bei mir drüben aufbauen. Damit überall Frieden herrscht.«
Es wird ein so lebhafter Abend in der Einkehr , dass Gudrun, Hein und ich kaum mit der Arbeit nachkommen. Wieder einmal gießt es in Strömen, aber in meinem Gourmet-Herzen scheint die Sonne. Wohl auch auf meinem Handrücken, denn das Krokodil schlummert träge. Zu meiner großen Freude werden nicht nur Rühreier mit Speck bestellt, sondern vor allem die Honig-Ziegenkäse-Teigtaschen mit Granatapfelkernen. Als wir zum Schluss eine erfreuliche Abrechnung feiern, verkneife ich mir die Bemerkung, mit meiner Samstagprognose doch recht gehabt zu haben. Zum Dank für meine Schlichtung des Jacuzzi-Streits bietet mir Hein an, am nächsten Morgen die Holzdielen ordentlich zu wienern. Sie weisen böse Spuren regennasser Schuhsohlen auf, woran vor allem zwei fremde Männer schuld sind, die sich in unmöglicher Arbeitskleidung unangemeldet an einen Tisch gesetzt hatten. Nun gut,
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