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Kehraus fuer eine Leiche

Kehraus fuer eine Leiche

Titel: Kehraus fuer eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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um das edle Gesöff von den Inneren Hebriden einen Bogen gemacht. Vermutlich aus Respekt vor dem anderen. Oder aus Angst, uns selbst wieder so zu entblößen, dass wir einander beim Aufwachen nicht in die Augen blicken können. Nicht etwa, weil wir uns in peinliche sexuelle Praktiken verstrickt hätten – diesbezüglich war es eine überaus keusche Nacht. Aber wir haben unsere Seelen entblößt. Wir haben uns dem exquisit torfigen Geschmack des Whiskys hingegeben, und passend dazu hat jeder von uns aus dem Keller jene Moorleichen geholt, die da lieber hätten vermodern sollen. Ich habe Reden geschwungen, an die ich mich kaum mehr erinnern kann, die aber Marcel später gegen mich verwendet hat. Und auch ich habe schamlos alles ausgenutzt, was er mir über sich in dieser Nacht so arglos anvertraut hat.
    Warum mir mein Unterbewusstsein jetzt, ohne den Umweg über das Gehirn, die gefährliche Frage nach diesem Nachttrunk auf die Lippen gelegt hat, kann ich nur erahnen. Reden mag in manchen Fällen Silber sein, aber bei diesem Fall ist Schweigen lange nicht so golden wie das, was der gleichfarbige Whisky bewirken kann. Er soll dem gewissenhaften Polizisten wieder die Zunge lösen. Mir Einblick in jenen Teil seiner Arbeit geben, der mit Zuständen auf der Kehr zu tun hat. Ich finde, darauf habe ich ein Recht. Er muss mir mehr über Steffen Meier und seine Beziehung zum mutmaßlichen David-Attentäter verraten. Ihm sollte doch auch daran gelegen sein, dass wir wissen, ob wir auf der Kehr vor einem frei herumlaufenden Mörder unsere Haus- und Autotüren verschließen müssen.
    Schlimm genug, dass ich bei dem Mann, der mein Freund sein will, zu solchen Taktiken greifen muss. Der jahrelange private Umgang mit der belgischen Polizei hat mich einiges gelehrt. Bloß nicht unterschätzen! Umsichtiges Vorgehen ist erforderlich. Ich darf nicht zu schnell die entscheidenden Fragen stellen. Ein Gespräch über meinen Arbeitstag wird in eins über seinen übergehen. Aber erst einmal muss genug des funkelnden Goldes durch Marcels Kehle geflossen sein.
    Der Wahrheitsfindung bringe ich damit kein Opfer dar. Ich schätze diesen Single Malt, und normalerweise liebe ich diesen belgischen Polizisten. Der leider in total nüchternem Zustand sein Berufsethos weitaus ordentlicher pflegt als sein Erscheinungsbild und der seinem Staat gegenüber loyaler ist als dessen Regierung, die wieder einmal vor der Verantwortung davongelaufen ist. Er würde keinem Unbefugten etwas über seine Ermittlungen verraten, erst recht natürlich nicht einer Deutschen.
    »Es waren Hallschlager da, Losheimer, Krewinkeler und sogar Prümer«, plaudere ich über meinen Abend, als wir auf meine Haustür zugehen. »Und zwei Männer mit sehr dreckigen Stiefeln, die nicht gesagt haben, woher sie kommen.«
    »Aus Euskirchen«, entfährt es Marcel, als ich aufschließe.
    »Woher weißt du das?«, frage ich verblüfft.
    »Sie waren hier, für Bodenproben vom Munitionsgelände zu holen. Ich habe ihnen gesagt, sie sollen bei dir essen.«
    Bei dem Wort Bodenprobe kriegt jeder Kehrer erst mal Muffensausen, denkt an Zeiten, wo er seine Gäste mit Fluchthauben ausstatten musste und allzeit bereit war, einen gassicheren Raum aufzusuchen. Nicht im Ersten oder Zweiten Weltkrieg, sondern in der Zeit, als Regine Seifenbach ihren Sohn eingeschult hat, als das Verbotsgelände zugedeckelt wurde, also gar nicht lange her. Wir haben hier keine Angst vor Bomben von oben, nur vor denen von unten.
    »Hein hat schon gesagt, das TNT kriecht wieder hoch«, murmele ich, als ich aufschließe. Linus hört sofort auf zu bellen und holt sich von jedem von uns eine Streicheleinheit ab.
    »Darum geht es nicht«, sagt Marcel, als er im dunklen Flur das Licht anknipst und mir in die Küche vorausgeht. »Ich hol schon mal die Gläser.«
    »Worum dann?«
    »Gehört zu den laufenden Ermittlungen, Katja, du weißt doch, dass ich darüber nichts sagen darf.«
    Noch nicht, denke ich und blicke auf das gewaltige Eichenbufett, das ich geerbt habe. Hinter den Blumenvasen habe ich in schwindelnder Höhe die Flasche des aus Luxemburg geschmuggelten Wahrheitsserums versteckt. Ich ziehe einen stabilen Holzstuhl heran und klettere hinauf. Was haben Bodenproben vom Verbotsgelände mit Marcels Fall zu tun?
    »Katja! Jessas Maahrja, was machst du denn da!«
    Marcel knallt die Gläser auf den Küchentisch, eilt an meine erhöhte Seite, schlingt beide Arme um meine Mitte und hält mich fest. Es fühlt sich sehr gut an, und

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