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Kehraus fuer eine Leiche

Kehraus fuer eine Leiche

Titel: Kehraus fuer eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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ist das bestimmt ganz schrecklich, aber Sie müssen verstehen, wenn ich mich damit jetzt nicht beschäftigen kann. Ich habe im Moment ganz andere Sorgen.«
    Das wortkarge Mädchen kann also eine richtige Rede halten. Ich frage, was für Sorgen. Ob ich ihr irgendwie helfen könne.
    Sie beißt sich auf die Lippen. Schließlich quetscht sie hervor: »Die Pia. Meine Schwester. Die ist seit heute früh spurlos verschwunden.«

9_BEGEGNUNGEN
Samstagmittag
    Bestürzt starre ich sie an. Kein Wunder, dass sie sich so seltsam aufführt! Ihre kleine Schwester ist verschwunden, und ich komme ihr mit einem Mord!
    Der mit Pia zum Glück nichts zu tun haben kann, beruhige ich mich schnell. Sonst hätte Patti anders reagiert und ich mir die größten Vorwürfe machen müssen. Sie scheint ja nicht einmal jetzt auf den Gedanken zu kommen, dass ihre kleine Schwester ebenfalls einem Verbrechen zum Opfer gefallen sein könnte. Ich hingegen befürchte das Schlimmste, bin nach den jüngsten Ereignissen auf noch mehr Unheil gefasst. Das auf der Kehr meistens im Dreierpack kommt, fällt mir ein. Mein Gott, was bin ich krankhaft abergläubisch geworden! Ob es dafür auch einen Gesundbeter gibt?
    »Was heißt verschwunden?«, frage ich vorsichtig.
    »Mein Vater sucht sie schon den ganzen Tag.«
    »Vielleicht ist sie ja bei ihrem Freund?«
    Patti wedelt mit der Handfläche vor ihrem Gesicht herum, als hätte ich die absurdeste Bemerkung aller Zeiten entlassen.
    Ich komme mir sehr ungeschickt vor, habe verlernt, auf junge Leute einzugehen. Weil es in meinem Umfeld keine gibt. Sobald die Schule auf die eine oder andere Weise geschafft ist, ziehen die Jugendlichen dorthin, wo es möglichst wenig Kühe und Feldwege gibt. Gudrun bedauerte gestern schon, keinen Maibaum auf der Kehr gesehen zu haben.
    »Da ist ein Junge aus Prüm …«, beginne ich vorsichtig.
    »Der Hunde-Heini?« Sie rümpft die Nase. »Der hätte es wohl gern. So ein Quatsch.«
    »Ich habe Daniel mitgebracht«, sage ich, um ganz sicherzugehen, dass wir von demselben Knaben sprechen.
    »Na toll. Der hat einen Knall, der Junge. Als ob die Pia den auch nur mit dem Arsch ansehen würde.«
    Hatte ich in anderen Worten auch schon gedacht. Die drastische Sprache beruhigt mich. Patti bangt nicht um das Leben ihrer Schwester.
    »Ist Pia einfach abgehauen?«, frage ich.
    Patti nickt.
    »Ja«, gibt sie zu. »Das stimmt schon. Sie hat einen Rucksack mitgenommen.«
    »Hat sie denn kein Handy?«
    Patti lacht. Es klingt gar nicht fröhlich.
    »Wozu sollten wir so etwas wohl haben?«
    »Und du hast keine Ahnung, wohin oder zu wem sie gegangen sein könnte?«
    Patti reißt die Hände hoch und die Augen weit auf.
    »Würde ich dann noch hier sein?«, schreit sie mich an. »Ich würde die Pia doch nie allein lassen! Wie soll sie sich denn ohne mich durchschlagen? Sie ist viel zu …«
    Sie bricht ab.
    »… lebensuntüchtig?«, schlage ich leise vor. »Ihr wolltet also zusammen ausbrechen, nicht wahr? Das kann ich gut verstehen. Ich habe ja selbst erlebt, wie streng euer Vater euch behandelt. Irgendwann will man sich das nicht mehr bieten lassen.« Da sie nichts erwidert, fahre ich ermutigt fort: »Und jetzt bist du sauer, weil deine kleine Schwester ohne dich auf die Walz gegangen ist? Dich im Stich gelassen hat?«
    Patti antwortet nicht. Wortlos geht sie an mir vorbei zum Haus. An der Kellertreppe dreht sie sich um und sagt mit völlig ausdrucksloser Stimme: »Meine Mutter ist nebenan im Hühnerstall. Die kann Ihnen die Hühner zeigen und Ihnen die Eier geben. Dafür sind Sie doch hier. Die Pia wird schon wiederkommen, wenn sie Hunger hat. Wie alle Tiere.«
    Die Kellertür knallt zu.
    Was für ein Abgang. Leicht benommen setze ich mich auf den Stamm eines vor langer Zeit gefällten Baumes neben dem Stall. Ich ärgere mich über meine Voreiligkeit.
    Kommen Sie bald wieder . Irgendwas hat sie mir, der gänzlich Fremden, bei meinem ersten Besuch anvertrauen wollen. Jetzt habe ich die Gelegenheit verpatzt, es mit meiner Berliner Direktheit verbockt. Die Eigenheiten der Westeifeler Sprache zu verstehen, bedeutet noch lange nicht, den Code für den Umgang mit diesem Bergvolk geknackt zu haben.
    Eine Gänseschar stürzt schnatternd auf mich zu. Die Viecher sehen mit ihren aufgerissenen Schnäbeln und ihrem überstürzten Schwankgang ausgesprochen angriffslustig aus. Ich bringe mein Gewicht schnell wieder auf die Beine und im Holzverschlag des angrenzenden Hühnerhauses vor schnappenden Schnäbeln in

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