Kehraus fuer eine Leiche
Sicherheit, stoße mir allerdings den Kopf am Rahmen der niedrigen Eingangstür.
»Was ist denn da draußen los?«, fragt Petra Prönsfeldt, ohne sich umzudrehen. Sie hockt auf dem Boden vor einem etwa dreißig Zentimeter hohen rosaroten Zylinder, der auf einem Podest steht und vermutlich Futter enthält. Jedenfalls drängen sich dort mindestens zwanzig braune Hühner. Drei weitere sitzen über einem schwarzen Brett auf einer Stange unter dem Dach. Eine Henne macht klägliche Flugübungen, während eine kleine zerzauste einfach reglos dasteht, wie von Herrn Pee beschrieben. Meine Sympathie gilt den Hühnern, die vor dem abartigen Gestank durch eine Luke in das Außengehege an der Seite geflüchtet sind. Ich hoffe, sie sind meine Eierspender. Welch wunderlicher Gedanke! Als ob das, was hinten rauskommt, mit Vernunft zu tun hätte oder besser schmecken würde.
»Guten Tag, Frau Prönsfeldt«, rufe ich. Das Geschnatter vor der Tür ist abgeebbt.
Wie zuvor Patti im großen Stall, dreht sich jetzt die Mutter abrupt um. Und genau wie ihre Tochter sagt sie: »Ach so, Sie sind’s.«
Diese Frau muss in meinem Alter sein, doch das Leben hat tiefere Spuren in ihre fürs Landleben erstaunlich blasse Stirn gegraben. Ansonsten wirkt ihr Gesicht teigig; wie bei einer riesigen Made scheint die kleine Kartoffelnase darin fast zu versinken. Wässrig blaue Augen blicken mich teilnahmslos an.
»Können Sie noch etwas warten?«, fragt sie. »Ich habe die Europanester Ihrer Hühner noch nicht geleert. Oder wollen Sie das selbst tun?«
Meine Adoptivhühner und deren genormte Nester interessieren mich im Moment herzlich wenig. Ihre Produkte noch weniger. Vergangene Nacht habe ich schon von hohen Bergen voller Eiertabletts geträumt, die mir den Zugang zu meiner Küche versperren.
»Nein«, sage ich. »Machen Sie sich bitte keine Mühe. Ich brauche heute keine Eier.«
»Na denn«, sagt die Frau und wendet sich wieder dem schlichten Futterautomaten zu. Ich lasse mich nicht so schnell verabschieden.
»Die Sache mit Pia tut mir leid«, bemerke ich. »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«
»Darum kümmert sich mein Mann«, sagt die Frau. Ich frage mich, wie oft ihr dieser Satz wohl über die Lippen gekommen sein mag.
Draußen setzt erneutes Geschnatter ein und macht ein weiteres Gespräch unmöglich.
»Auf Wiedersehen«, sage ich vor mich hin, ziehe den Kopf ein und öffne vorsichtig die schmale niedrige Tür.
Die Gänse interessieren sich nicht für mich. Sie wackeln gerade vor Daniel davon, der mit zwei Promenadenmischungen an der Leine um die Ecke gekommen ist. Er stellt mir die Hunde als Maggie und Pipo vor. In Maggies Genpool hat sich der Golden Retriever noch am deutlichsten durchgesetzt, und in Pipos der Pinscher. Beide Hunde stammen aus einer Tötungsstation auf Gran Canaria und sind vor wenigen Wochen von Eifeler Tierschützern im Gnadenhof abgegeben worden.
»Ich habe ihnen erst einmal das Spielen beigebracht«, sagt Daniel, blickt zum Hühnerhaus und fragt rührend beiläufig: »Ist die Pia da drin?«
»Leider nicht«, sage ich und berichte ihm von Pias Flucht.
»Das kann sie doch nicht machen!«, sagt er empört. »Sie muss doch am Montag wieder zur Schule. Wie ist sie hier überhaupt weggekommen?«
»Zu Fuß, wie sonst?«, entgegne ich lakonisch.
Hektische Flecken breiten sich auf seinem Gesicht aus.
»Dann werden wir sie finden!«, ruft er aufgeregt und klopft Maggie aufs hellbraune Fell. »Maggie ist zwar noch nicht ganz so weit, aber sie versteht schon, worauf es ankommt.«
»Ein Spürhund?«, will ich wissen.
»Das heißt Mantrailer «, verbessert er mich stolz. »Dazu brauche ich ein Kleidungsstück, das nur die Pia getragen hat.«
Ich gebe zu bedenken, dass die Spur bereits verflogen sein könnte. Daniel schüttelt den Kopf und belehrt mich, dass jeder Mensch pro Minute hundert Hautschuppen verliere. Ein guter Mantrailer könne diese Spuren bis zu sechsunddreißig Stunden lang aufnehmen.
Nach mehreren Versuchen schaffen wir es gemeinsam, Patti ans Fenster zu bekommen und von ihr ein Kleidungsstück und einen Plastiksack einzufordern.
»Der Stoff kommt in eine Plastiktüte, und die wird dem Hund über den Kopf gezogen«, erzählt Daniel, während er Maggie unablässig streichelt.
»Ist das nicht gefährlich für den Hund?«, frage ich, heilfroh, dass mein Linus für solche Späßchen viel zu verspielt ist.
Ein Fenster unter dem Dach geht auf. Die herunterfallende Discountertüte öffnet sich und
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