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Kehraus fuer eine Leiche

Kehraus fuer eine Leiche

Titel: Kehraus fuer eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Tür auf.
    Natürlich tut sie das nicht. Wahrscheinlich kann sie mich nicht einmal hören. Ich rüttele an dem inneren Türknauf und donnere mit den Fäusten gegen den kalten Stahl. »Pia! Lass mich sofort hier raus!«
    Sie hat mich reingelegt. Sich meine Neugier zunutze gemacht, um sich in Ruhe das Leben nehmen zu können. Ihr kann ich nicht mehr helfen. Sie mir schon. Wenn sie einen Abschiedsbrief schreibt. Nein, diese Zeit wird sie sich nicht nehmen. Sie hat es mit dem Sterben sehr eilig, denkt jetzt nur daran, ihr furchtbares Leben hinter sich zu lassen und im Jenseits ihren Steffen wiederzusehen. Als ich sie in der Küche überrascht hatte, lag nirgendwo ein Schreiben. Da hatte sie den Anlauf zur Selbsttötung doch schon längst genommen. Und sollte sie ihren Abschiedsbrief irgendwo anders deponiert haben, kann nicht drinstehen, wo man mich zu suchen hat.
    Panik steigt in mir auf. Hastig taste ich die Wand links und rechts ab, finde keinen Schalter, stürze ein paar Steinstufen hinunter und lande auf einem harten Boden.
    Meine Fingernägel wollen sich festkrallen. Als könnte ich noch tiefer stürzen. Doch hier gibt es nur Split und Sand.
    Ich kann kaum atmen. Meine Kehle ist staubtrocken und viel zu eng für die Luft, die da hindurch soll. Auf Hände und Gesicht kriechen Tausende von Ameisen herauf. Geht weiter!, ruft ihnen mein Gehirn zu. Bleibt nicht auf meinem Schweiß kleben! Fresst den Elefanten auf, der mir ein riesiges Bein auf die Brust gestellt hat!
    Das hält mein Herz nicht mehr lange aus. Ich muss mich auf meinen Atem konzentrieren. Ich setze mich auf den Boden und lege beide Hände dahin, wo das Herz herausspringen will. Einatmen, ausatmen, an nichts anderes denken. Es hilft.
    Ich rappele mich auf und blicke in die Dunkelheit. »Du musst systematisch vorgehen«, sage ich laut. Es hallt nicht, also dürfte dies kein sehr großer Raum sein. »Du bist ganz schön bescheuert«, schreie ich mich an. »Lässt dich von dieser Göre so übertölpeln!«
    Das Selbstgespräch tut meinem Körper gut, also rede ich weiter auf mich ein. »Natürlich gibt es hier kein elektrisches Licht. Wo sollte der Strom mitten auf dem Feld auch herkommen?«
    Früher haben Kinder in den Fabrikruinen und Bunkern gespielt. Vielleicht haben sie hier ein paar Kerzenstummel liegen lassen? Die mir ohne Streichhölzer auch nichts nützen würden. Als Raucher könnte ich wenigstens etwas Licht in dieses Dunkel bringen. Sollte ich hier je herauskommen, werde ich erwägen, mir dieses Laster zuzulegen.
    Ich lehne mich gegen die Wand. Ersticken werde ich nicht. Bunker haben Lüftungsschächte. Und manchmal einen zweiten Zugang. Ich werde verhungern. Nicht wieder in Panik geraten, ganz ruhig bleiben. Ich habe reichlich Reserven. Verdursten? Wenn es hart auf hart kommt, kann ich Kondenswasser von den Wänden lecken. Ich muss mein Gefängnis erkunden.
    Von vorn anfangen. Bei der Treppe.
    »Das machst du schon sehr gut«, lobe ich mich, als ich die Stufen ertaste. Wie zur Belohnung kommt mir der rettende Gedanke. Eine warme Woge von Erleichterung und Glücksgefühl wallt in mir auf. Ameisen und Elefant haben sich gegenseitig vernichtet. Das Krokodil hat sich auch beruhigt. Ich kann befreit aufatmen. Alles wird gut. Ich werde Pia retten können. Und mich auch. Ein Hoch auf die moderne Technik! Ich ziehe mein Handy aus der Jackentasche und stelle es an. Ironisch leuchtend teilt mir das Display mit: Kein Netzempfang .
    Ein Schlag in die Magengrube.
    »Atmen!«, ermahne ich mich. Was hatte ich in einem betonierten Erdloch erwartet? Zumindest spendet der Apparat etwas Licht. Ich halte ihn hoch. Ein völlig leerer Raum. Der bei einem Bombenangriff vielleicht zwanzig Menschen Schutz gewähren würde. Wenn sie ganz eng beieinanderstünden.
    Ich setze mich auf die oberste Stufe und lehne mich an die kalte Tür. Etwas huscht über den staubigen Boden. Irgendein Tier ist durch das Handylicht aufgeschreckt worden. Ein sehr kleines Geschöpf, stelle ich enttäuscht fest, nachdem ich auch den letzten Winkel meines Verlieses ausgeleuchtet und keinen weiteren Zugang gefunden habe.
    Ich setze mich wieder hin und schalte das Handy aus.
    Mach dich nicht verrückt, sage ich mir. Du wirst vermisst werden. Deine Freunde werden dich suchen. Aber nicht heute. Leider habe ich Gudrun vorhin ausdrücklich darum gebeten, am Ruhetag nicht gestört zu werden.
    »Dann musst du hier eben bis morgen ausharren«, beruhige ich mich laut. Wie gut, dass ich vorhin etwas gegessen

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