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Kehraus fuer eine Leiche

Kehraus fuer eine Leiche

Titel: Kehraus fuer eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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in der ehrwürdigen Musikschule mit Herrn Pee getroffen haben soll.
    Kopfschüttelnd lasse ich in der Küche Wasser für Kaffee und Forsythienzweig laufen. Katja Klein übernimmt in Sachen Prönsfeldt die Verteidigung der Eltern. Noch gestern hätte ich mir das nicht träumen lassen.
    Mit einer Anzeige wegen Vernachlässigung der Aufsichtspflicht gegenüber ihren Schutzbefohlenen werden die Prönsfeldts wohl zu rechnen haben. Man wird sie fragen, ob sie denn wirklich nichts gemerkt haben. Die Mädchen müssen doch völlig verstört von ihren ersten Wochenenden zurückgekommen sein. Wie kann man zwei Kindern nicht anmerken, dass sie kontinuierlich vergewaltigt werden? Die müssen doch irgendwie auffällig werden. Wir dachten, dass es eine sehr strenge Musikschule war, lasse ich die Eltern antworten; die Mädchen waren von zu Hause keine Disziplin gewöhnt, und wir haben die Zügel zu sehr schleifen lassen. Wir fühlen uns immer noch schuldig, dass sie vor acht Jahren einfach so weglaufen konnten, und waren heilfroh, als sie damals bei der Razzia im Bordell unbeschadet aufgegriffen wurden.
    Dann kamen Klagen über ihren Umgangston aus der Schule in Sankt Vith und die Absage der Musikschule. Da haben wir begriffen, dass wir unser Leben zum Wohl der Mädchen ändern mussten. Deshalb haben wir den Gnadenhof gepachtet. Versuchen jetzt, die früheren Fehler bei unserer Erziehung mit strenger Zucht und Disziplin auszubügeln. Wir konnten doch nicht ahnen, dass unsere Töchter die ganze Zeit einem sexuellen Martyrium ausgesetzt waren! Wirklich nicht?
    Ich lege die Verteidigung der Eltern nieder; wiewohl ich selbst erlebt habe, dass die Mädchen im Verstellen und Vortäuschen falscher Tatsachen zu Meisterinnen herangereift sind. Doch der Weg dahin muss grausam gewesen sein. Unmöglich, dass sich die Eltern die ganze Zeit über im Tal der Ahnungslosen aufgehalten haben.
    Lautes Gerumpel schreckt mich auf. Es klingt, als sei vor meinem Haus eine Statue umgefallen. Wenn da eine stehen würde. Nur mit meinem langen T-Shirt bekleidet, renne ich zur Tür und reiße sie auf.
    »Oh«, sagt ein fremder Mann und sieht interessiert auf meine nackten Beine. Ich knalle die Tür wieder zu und schaue aus dem Fenster. Keine Spur von Schnee oder Eisglätte. Das ist schon sehr beruhigend. Im Gegensatz zu der Szene, die sich vor meinem Haus abspielt. Jupp steht neben einem Lastwagen und stemmt sein ganzes gewaltiges Gewicht gegen einen übermannsgroßen Käselaib, der auf irgendeiner fragilen Unterlage bedenklich schwankt.
    Hastig kleide ich mich an. Wieder höre ich Gepolter. Als ich vor die Tür trete, rumpelt der Käselaib an mir vorüber. Sechs Männer balancieren ihn auf einer Art Holzschlitten mit Rädern.
    »Hinters Haus«, höre ich Jupps Stimme. »Vorsicht! Nicht, dass es noch mal hinfällt. Das Ding ist voller Elektronik.«
    Zum Glück ist mein Jacques Uhsi gut eingepackt. Im Gegensatz zu mir, wenn ich da eintauchen werde. Welch ein Luxus! Ein warmes Bad im Freien mit Blick über schneebedeckte Hänge oder auf einen durch Restlicht ungetrübten Sternenhimmel.
    Rumps. Der Whirlpool wird vor dem Schuppen vom Schlitten gerollt.
    »Wir lassen ihn erst mal in der Verpackung«, sagt Jupp zu mir. »Nächste Woche bin ich bei den Holländern fertig. Dann reiße ich hier den Schuppen ab, baue die Tür ein und schließe diese Badewanne an.«
    Ich bedanke mich bei seinen Waldarbeiter-Kollegen und lade alle zum Frühstück in die Einkehr ein .
    Vor der uns ein seltsamer Anblick empfängt. Gudrun und Regine hopsen auf dem salzfeuchten Pflaster nebeneinander her. Regine gibt händeklatschend eine Art Polkatakt an.
    »Was macht ihr denn da?«, frage ich.
    »Üben«, keucht Gudrun. »Für Pfingsten.«
    »Falsch«, sagt einer der Waldarbeiter, legt den Arm um Gudrun und zeigt ihr, wie das, was da gehen soll, richtig geht. Sehr unkomplizierte Schritte: Jeweils ein Sprung zur linken und zur rechten Seite, dabei kurzes Verharren auf dem jeweiligen Fuß. Es erschließt sich mir nicht, was daran so schwer sein soll, dass es geübt werden muss.
    »Man muss doch auch zwei zurückspringen!«, kommentiert Jupp das Gehopse.
    »Mittelalter!«, kräht Regine empört.
    »Aber ich hab das so schon gesehen«, insistiert Jupp. »Im Fernsehen.«
    »Das wirkt nur so, wenn die ganze Menge springt«, erläutert Regine. »Es geht immer vorwärts. Weiter, Gudrun, nicht schlappmachen!«
    »Und was ist das für ein Tanz?«, erkundige ich mich verwundert.
    »Kein Tanz«,

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