Kehraus fuer eine Leiche
Er wird uns nicht mehr zum Lachen bringen, weil er selbst nichts mehr zu lachen hat. Ein bisschen Depression gönne ich ihm schon, kann aber die Tiefe des Lochs, in das er gerade fällt, nicht abschätzen. Ich werde mich um ihn kümmern müssen.
Und um Jumbo, fällt mir plötzlich ein. Wie entsetzlich, wenn Jupp nach der Haft nur noch das Skelett seines Pferdes im Stall finden würde. Es ist Hein zuzutrauen, dass er den großen braunen Ardenner verhungern lässt. Nicht etwa aus Bosheit, sondern aus der gleichen Unbekümmertheit heraus, die ihn einerseits so liebenswürdig macht, andererseits aber auch unsere jetzige Katastrophe heraufbeschworen und einen Menschen das Leben gekostet hat.
Ehrlicherweise kann ich nicht behaupten, dass ich um Reinhold Wirzig trauere. Ich kannte den Mann nicht. Ebenso wenig wie Steffen Meier. Um den die arme Pia so verzweifelt trauert.
Jetzt ist er tot. Für immer! Ihr Wehklagen hallt mir noch in den Ohren.
Steffen Meier wird nie zurückkehren. Jupp schon.
Nachdenklich blicke ich auf die nass glänzende Schrift vor mir. Vielleicht ist dieser Aushang doch übertrieben? Weil Trauer nur in Verbindung mit dem Tod angemessen ist? Aber warum trauern die Menschen dann um ihre vergangene Schönheit oder um eine verpasste Gelegenheit? Diese Trauer ist doch viel banaler als meine jetzige.
Ich werde die Nachricht an die Tür hängen. Auch wenn Pia sie mit größerem Recht an die des Gnadenhofs kleben könnte. Sie hat erheblich mehr Grund zum Trauern. Nicht nur um Steffen Meier, sondern vor allem um ihre verlorene Kindheit und frühe Jugend; vielleicht auch um die nicht vorhandene Liebe ihrer Mutter – wenn Marcel Petra Prönsfeldts Blick auf Patti zutreffend gedeutet hat. Was ich bezweifele. All den jüngsten unheilvollen Erkenntnissen zum Trotz mag ich nicht glauben, dass eine Mutter ihre Kinder überhaupt hassen kann. Auch wenn sie aus demselben Ort stammt wie der sogenannte Musiklehrer, der ihre Kinder ins Desaster gestürzt hat – sofern diese Informationen zutreffend sind. Der Sache werde ich gleich nachgehen. Wenn Petra Prönsfeldt und Patti so dringlich mit mir reden wollen, dann sollen sie mir auch sagen, was ich wissen muss.
WEGEN TRAUERFALLS GESCHLOSSEN. Die Schrift ist trocken. Ich nehme eine Schere und schneide die Pappe nach den ersten beiden Worten ab. Der Tod ist eine sehr ernst zu nehmende Angelegenheit. In der Eifel, so scheint es mir, noch mehr als anderswo. Die Gäste werden wissen wollen, wer aus unserem Kreis gestorben ist. Oder welcher Angehörige. Alle werden zur Beisetzung kommen, vorneweg die Nachbarn in den drei Häusern zur Linken und Rechten des Verstorbenen. Sie pflegen noch immer den lebendigen alten Brauch, den Sarg zu tragen. Hier ist es undenkbar, nicht zur Beerdigung eines verstorbenen Dorfbewohners zu gehen. Selbst wenn man ihn kaum gekannt oder nicht gemocht hat.
Seine Seele könne bei der Wiederkehr den mangelnden Respekt übel nehmen und sich rächen, verriet mir vor einigen Wochen eine rheinland-pfälzische Nachbarin bei einem Leichenschmaus in Ormont. Mit leuchtenden Augen erzählte sie mir, ihr verstorbener Mann sei sogar schon wenige Tage nach seinem Tod zurückgekommen. Selbst habe sie ihn nur den Bruchteil einer Sekunde nahe dem Munitionsgelände gesehen, aber da habe er ihr ein deutliches Zeichen gegeben. Wieso ich das nicht wisse? Der ganze Landstrich spreche von kaum etwas anderem mehr.
Erstaunt fragte ich nach. Von einem herumirrenden einheimischen Zombie auf der Kehr hatte mir bisher noch niemand etwas berichtet. Die Nachbarin betrachtete mich voller Mitleid.
Wie könnten mir denn die vielen Meldungen über den schwarzen Panther entgangen sein? Über das Tier mit den feurigen Augen, das seit Monaten durch unsere Hügel streife? Ebendessen Körper beherberge jetzt die Seele ihres Mannes, wache über ihr Vieh und sie selbst. Dies habe er ihr bei der Begegnung am Verbotsgelände durch kurzes Heben seines Schwanzes verständlich gemacht.
Gudrun warf mir einen warnenden Blick zu. Aber auch ohne den hätte ich es nicht übers Herz gebracht, der Frau zu widersprechen. Nicht wegen des Panthers. Sondern wegen ihres unbeirrbaren Aberglaubens, der ihr die Trauer um den Mann erträglicher machte.
Der Panther war tatsächlich Gesprächsthema Nummer eins und gilt immer noch als flüchtig. Jupp will ihn auch gesehen haben. Er hielt ihn für eine riesengroße schwarze Katze, die mit weiten Sprüngen über eine Wiese in Losheim gehetzt sei. Leider zu
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