Kehraus fuer eine Leiche
Kondomwürstchen, die Jupp nach getaner Arbeit so gerne kalt verzehrt. Linus auch.
Der Hund springt an mir hoch. Ich halte die Würstchen noch höher.
Ich probiere etwas aus und sage zum ersten Mal: »Sitz!«
Ein Kommando, das mir als unfreiwilliger ungelernter Hundebesitzerin nie in den Sinn gekommen wäre. Erst Daniel hat mich darüber aufgeklärt, weshalb meine Platz -Rufe vergeblich waren. Sitz käme vor Platz, sagte er; erst aus dem einen ergebe sich das andere.
Der Sitzplatz eben. So habe ich mir das gemerkt. Und sehe staunend meinen Hund aufs Hinterteil fallen und schräg nach oben blicken, wo ein Würstchen lockt.
»Platz«, befehle ich.
Der Hund legt sich hin. Toll. Vielleicht ist Linus ein Spätentwickler und einer Erziehung doch noch zugänglich, wie Marcel meint. Vielleicht hat der Herr Polizeiinspektor mal wieder recht.
Aus dem einen ergibt sich das andere. Am liebsten würde ich erst mit Patti reden, dann ihre Mutter konfrontieren. Fürchte aber, dass ich Patti auf dem Gnadenhof nicht antreffen werde. Sie könne nicht mehr nach Hause, hat sie gesagt, aber vor der verschlossenen Tür der Einkehr hat sie nicht auf mich gewartet. Ich wappne mich für ein Gespräch mit Petra Prönsfeldt über Hückeswagen und den Musiklehrer.
Schon von Weitem höre ich dumpfe regelmäßige Schläge. Frage mich, ob Herr Pee aus lauter Frust und Entsetzen jetzt seinen Pachthof in Grund und Boden hämmert.
Ich eile um die Biegung.
In ihrem übergroßen Herrenhemd steht Patti am Rand der Weide und schlägt mit einem riesigen Holzhammer auf einen Zaunpfahl ein. Sie sieht mich kommen und haut so fest auf den Holzpflock, dass er sichtlich ein Stück tiefer als seine Nachbarn in die Erde eindringt.
Als sie mich anblickt und ich die Wut in ihren Augen lese, begreife ich, woraus das zierliche Mädchen solche Körperkraft bezieht.
»Hallo Patti, was machst du da?«, frage ich, obwohl es offensichtlich ist.
»Sehen Sie doch«, erwidert sie prompt. »Den Zaun reparieren. Damit die Tiere wieder auf die Weide können. Darüber hatten Sie sich doch auch schon beklagt. Dass die bei so schönem Wetter alle drinnen sind. Keine gute Reklame für einen Gnadenhof.«
Diesem Gnadenhof wird bald keine Reklame mehr helfen, denke ich und falle mit der Tür ins Haus: »Du wolltest mit mir sprechen. Über Pia. Darum bin ich jetzt hier. Vorhin ging es leider nicht. Entschuldige übrigens, ich wusste nicht, dass niemand im Restaurant war.«
Sie wirft einen Blick zum Haus hinüber, stützt sich auf den Hammer und bemerkt: »Ist egal. Sowieso zu spät.«
»Wofür?«, frage ich beunruhigt. »Was ist mit Pia?«
Sie sagt nichts.
»Geht es ihr schlechter? Bitte sprich, Patti, ich mache mir große Sorgen.«
Sie blickt auf. Ihr Gesicht ist tränenüberströmt.
»Es ist vorbei, Frau Klein. War alles umsonst. Habe die Pia verloren.«
24_WUT
Mittwoch, früher Abend
Pia ist nicht tot.
Dahinter komme ich aber erst, als ich Pattis abgehackte Sätze so zusammenbaue, dass sie einen Sinn ergeben. Ihre Schwester ist aus dem Krankenhaus in eine Kölner Nervenheilanstalt verlegt worden, wo sie längerfristig psychiatrisch betreut werden soll. Was ich für sehr vernünftig halte, angesichts der traumatischen Erfahrungen des Mädchens.
Das aber ist Patti nicht zu vermitteln. Ihre Schwester sei völlig normal, heult sie und schwingt aufgebracht den großen Vorschlaghammer. Pia habe, genau wie sie selbst, mit der Vergangenheit längst abgeschlossen.
»In der Klapse wird alles nur wieder hochkommen«, schreit sie, »sie wird alles noch mal durchmachen. Und ich bin dann nicht bei ihr. Um ihr zu helfen. Sie zu beschützen.«
»Was du sonst immer getan hast«, sage ich sanft.
Sie senkt das Haupt.
»Ja«, murmelt sie. »So gut ich konnte. War nicht immer gut genug.«
»Wie auch?«, sage ich. »Du warst selbst doch noch ein Kind. Möchtest du darüber reden? Bist du deshalb zu mir gekommen?«
Sie schüttelt den Kopf.
»Ich möchte, dass Sie mit den Ärzten reden! Sagen Sie denen, dass die Pia nicht verrückt ist. Dass ich mich besser um sie kümmern kann als Leute, die sie nicht kennen. Frau Klein, Sie haben doch mit der Pia gesprochen; Sie wissen, dass sie nicht krank ist. Nur wütend. Und traurig. Aber das geht vorbei.«
»Sie hat mich im Bunker eingeschlossen«, gebe ich zu bedenken.
»Das hat sie nicht so gemeint. War doch nur eine Kurzschlusshandlung!«
Die mich das Leben hätte kosten können. Diese Bemerkung verkneife ich mir. Ich möchte
Weitere Kostenlose Bücher