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Kehraus fuer eine Leiche

Kehraus fuer eine Leiche

Titel: Kehraus fuer eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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schnell, als dass er ein Foto hätte machen können. Aber davon gebe es inzwischen eh mehr als genug. Jüngsten Zeitungsberichten zufolge ist das Tier vermutlich aus einem Privatgehege in Frankreich geflohen. Wäre es in der Wildnis aufgewachsen, hätte es sich bestimmt nicht in den kalten Norden abgesetzt, sondern wäre gen Süden ausgewandert, um sich das Fell wärmen zu lassen.
    Bedauerlicherweise konnte die Nachbarin ihren Glauben an die menschliche Seele im Raubkatzenkörper den Jägern der Westeifel nicht vermitteln. Die ölten ihre Gewehre und bevölkerten die Hochsitze. Aber dort sollten sie angesichts der Großkatze die Finger leider gerade halten. Die Jäger empörten sich weniger über das polizeilicherseits wiederholt ausgesprochene Schießverbot, sondern vor allem über dessen Begründung: »Panther gehören nicht zum jagdbaren Wild in Deutschland.«
    Ausgerechnet am vergangenen Samstag ist auch in der Einkehr über dieses Thema hitzig debattiert worden. Ungefähr zum gleichen Zeitpunkt, als auf Losheimergraben ein Schuss fiel und ein Mann starb. Ich hatte mich in das Gespräch eingemischt und unschuldig gefragt, ob Panther nicht unter Artenschutz stünden. Diese unqualifizierte Äußerung sah man mir nur nach, weil ich nicht von hier stamme. Sonst wüsste ich, dass kein noch so strenger Artenschutz einen Eifeler daran hindern kann, mit einem gut gezielten Schuss die Menschen in seinem Haus, die Tiere in seinem Stall und die Forellen in seinem Weiher vor Räubern jedweder Art zu schützen.
    In meinem Restaurant muss an diesem Abend niemand geschützt werden. Ich rufe Gudrun an.
    »Wir haben heute geschlossen«, informiere ich sie, und als sie mir empört widersprechen will, mache ich es so knapp wie möglich: »Jupp hat diesen Wirzig erschossen und ist verhaftet worden.«
    Den Rest soll sie sich zusammenreimen. Ich kann mit ihr jetzt nicht darüber reden.
    Sie ist zu erschrocken, um irgendetwas zu erwidern, und reicht das Handy wortlos an Regine weiter. Das ist mir nur recht. Regine kennt Jupp und Hein erst seit wenigen Tagen und ist emotional weitaus weniger betroffen. Ich sage ihr, sie möge Gudrun bitte nicht ans Steuer lassen und mit ihr gleich nach Losheim zu Hein fahren. Der habe sich dort zwar jetzt hingelegt, solle aber weder Abend noch Nacht allein verbringen.
    »Glaubst du, er tut sich was an?«, fragt Regine.
    »Das wäre atypisch«, sage ich, »genau wie ein Mord für Jupp. Wie du siehst, kann man in diesen üblen Zeiten gar nichts ausschließen. Auch nicht, dass Jupps Gaul verhungert, weil kein Mensch an das arme Tier denkt.«
    Sie werde sich mit Gudrun um Hein kümmern, Daniel sich um das Tier, verspricht Regine. Ihr Sohn werde es nicht nur füttern und striegeln, sondern auch in Bewegung setzen. Er kenne sich da aus, habe schon in vielen Ställen ausgeholfen und dafür kostenlos reiten dürfen. Aber als Sohn eines richtigen Texaners brauche er mehr Übung. Dann fällt Regine wieder ein, wem Jumbo gehört.
    »Grauenvoll«, sagt sie. »Wenn man sich vorstellt, dass Jupp …« Ich rechne ihr hoch an, dass sie das unvorstellbar Schreckliche schnell in etwas unvorstellbar Banales abwandelt: »… dass Jupp jetzt nicht sein Pferd sehen kann.«
    Dankbar für ihre Unterstützung, und weil ich an diesem grauenvollen Tag gern Schönes hören möchte, frage ich sie, wie denn die Begegnung zwischen Vater und Sohn verlaufen sei.
    »Märchenhaft«, ruft Regine. Ihre Stimme verlässt das Moll der Trauer und geht gleich zwei Oktaven in die Höhe. »Mein Traum ist in Erfüllung gegangen.«
    Aufgeregt schildert sie, wie David gestrahlt, seine Arme ausgebreitet und seinen Sohn ans Herz gedrückt hat. Wie glücklich Daniel war, dass sein Vater Tiere ebenso liebe wie er – diesbezüglich ist mir bisher nur aufgefallen, dass er Linus duldet –, dass er die gleiche Musik höre und nichts lieber wolle, als mit Daniel zu einem Konzert von der Band Revolverheld zu fahren. Er freut sich riesig darauf, Baseballspielen zu lernen und zu seiner Großmutter nach Texas zu fliegen. Daniel hat den Spiegel von der Krankenhauswand geholt, sich neben David aufs Bett gesetzt, und dann haben sie die gleichen Grimassen geschnitten.
    »Es war wunderschön«, rattert Regine weiter. »Wir haben alle geweint.«
    »Wir auch«, sage ich trocken, womit unser Gespräch dann auch sehr schnell beendet ist. Eine Überdosis an Schönem kann ich momentan nicht ertragen.
    Ob ich Marcel schon stören darf? Immerhin hat er gesagt, dass ich

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