Kehraus fuer eine Leiche
Todesfolge.«
Bis zu seinem Prozess müsse Jupp zwar in der Justizvollzugsanstalt Verviers einsitzen, sagt er, aber diese Zeit würde auf die Gesamtstrafe angerechnet werden. Daher sei nicht auszuschließen, dass er gleich nach dem Urteilsspruch wieder freikomme.
Wir stehen alle auf. Die Polizisten blicken zur Seite, als sich Jupp und Hein zum Abschied umarmen. Sie lassen ihnen Zeit, bis sich Jupp von Hein löst und Marcel zunickt.
»Du hast freiwillig ein Geständnis abgelegt, Jupp«, sagt Marcel, als er in den Flur tritt. »Auch das wird sich strafmildernd auswirken.«
Mir streicht er kurz über die Schulter, als wolle er einen Flusen entfernen. Ich rücke demonstrativ von ihm ab und würdige ihn keines Blickes.
»Ruf mich jederzeit an, wenn du mit mir reden willst, Katja«, sagt er mit einer Samtstimme, die ich nur zu gern gegen den Strich gebürstet hätte. »Auch wenn es erst in einem Jahr ist. Ich warte solange.«
Er verlässt mit Jupp das Haus.
»Willst du nicht mit rausgehen?«, frage ich das Häufchen Elend, das im tiefen Polster zusammengekauert vor sich hinstarrt. Hein schüttelt den Kopf.
»Ertrage ich nicht«, flüstert er. Eine große Träne rollt ihm die Wange hinunter. Damit bricht der Staudamm. Ich ziehe die Wohnzimmertür ins Schloss. Wenn er sich ausgeheult hat, werde ich ihn zusammenfalten. Und zwar so, dass er sich nach den Methoden von Marcels Verhör zurücksehnt. Angesichts dessen, was Hein mit seinem Hang zum Luxus angerichtet hat, ist der belgische Bulle ja geradezu sanft mit ihm umgesprungen!
Vor der Haustür reicht mir Polizeiinspektor Erwin Hannen die Hand.
»Vielen Dank für die Bewirtung«, sagt er und setzt tief ausatmend hinzu: »Das ist ja noch mal gut gegangen.«
»Wie bitte?«, sage ich und frage ihn verwundert, wie das denn gemeint sei.
Er seufzt und kratzt sich am Ohr.
»Ich war skeptisch, ob es funktioniert. Aber Marcel hat mich dazu überredet.«
»Wozu?«
»Darauf zu warten, dass sich Herr Esch selber stellt. Heute Morgen lagen genügend Beweise gegen ihn vor, für ihn festzunehmen. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir das auch sofort getan. Aber Marcel wollte ihm die Chance zu einem Geständnis geben.«
»Was für Beweise?«, frage ich misstrauisch.
Erwin Hannen dreht sich um und deutet auf Jupps Füße, die gerade im Polizeijeep verschwinden.
»Die zum Beispiel. Oder gibt es hier viele Männer mit Schuhgröße 52? Außerdem haben wir einen Fingerabdruck von Herrn Esch auf dem Dach des Geländewagens gefunden.«
Jetzt dämmert mir einiges.
Deshalb also klang Marcel so eifrig, als ich ihn heute früh aus dem Krankenhaus angerufen habe. Er konnte sein Theaterstück inszenieren, weil David sein Gedächtnis wiedergefunden hat. Letztendlich zum Wohle des Täters. Wieder einmal habe ich mich in dem Mann geirrt, den ich doch so gut zu kennen glaube. Ich bitte ihm einiges ab. Und werde ihn gleich heute Abend anrufen.
»Kommst du?«, ruft Marcel seinem Kollegen zu.
»Gleich«, ruft der zurück und sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Leider ist da noch etwas, Frau Klein.«
»Was?«, frage ich höchst beunruhigt.
»Der andere Mord. Der an Steffen Meier. Den werden wir Herrn Esch auch nachweisen können. Marcel hat seine Zweifel, aber ich bin mir sicher. Wir leben in einer friedlichen Gegend, Frau Klein, Mord ist hier die große Ausnahme. Wenn so kurz nacheinander zwei Menschen durch Gewalt ums Leben kommen, muss es da einen Zusammenhang geben. Vielen Dank noch mal, Frau Klein, und auf Wiedersehen!«
Er lässt mich mit offenem Mund zurück.
Jupp bringt Steffen Meier aus was für Gründen auch immer um und hängt sich dann das Kalenderblatt mit dem Abbild des von ihm Ermordeten ins Wohnzimmer? Das kann und will ich nicht glauben.
23_TRAUER
Mittwoch, später Nachmittag
Grimmig ziehe ich den schwarzen Marker über die weiße Pappe. Mein Lokal bleibt heute wegen eines Trauerfalls geschlossen. Wer sich in meine Lage versetzen kann, wird dieses Schild nicht für pietätlos halten. Die Großbuchstaben entsprechen der Wahrheit.
Ich trauere um Jupp, der wahrscheinlich Fliegenlarven aus den Astlöchern pult und Ameisen ins Moos setzt, bevor er einen Baum fällt. Aus Liebe zur Kreatur. Aus Liebe zu der Kreatur Hein hat er einen Menschen umgebracht und sitzt jetzt hinter Gittern. Ich trauere auch um Hein. Sein sonniges Gemüt hat sich verdunkelt. Der Umgang mit ihm war stets von Heiterkeit, Lebenslust und fröhlich schräger Individualität geprägt.
Weitere Kostenlose Bücher