Kehrseite der Geschichte unserer Zeit (German Edition)
Erzählung. »Ich will von den ›Chauffeurs‹ reden. Jede Provinz im Westen war damals mehr oder minder von diesem Räuberunwesen bedroht, das weit weniger auf Raub ausging als auf ein Wiederanfachen des Royalistenkrieges. Man bediente sich, wie es heißt, der großen Anzahl von Leuten, die sich dem Gesetz über die Conskription widersetzt hatten, das damals, wie Sie wissen, bis zum Übermaß durchgeführt wurde. Zwischen Mortagne und Rennes und selbst noch darüber hinaus bis zu den Ufern der Loire fanden nächtliche Streifzüge statt, die in bestimmten Teilen der Normandie, hauptsächlich gegen die, die Nationalgüter zurückbehielten, erfolgten. Diese Banden verbreiteten einen furchtbaren Schrecken auf dem Lande. Ich sage Ihnen nichts Falsches, wenn ich Sie darauf hinweise, daß in gewissen Departements die Hand der Justiz lange Zeit völlig gelähmt war. Dieses letzte Aufflackern des Bürgerkriegs machte nicht so viel Aufsehen, wie Sie glauben könnten, da wir heute an die beunruhigende Verbreitung in der Öffentlichkeit gewöhnt sind, die die Presse auch den unbedeutendsten politischen und privaten Prozessen zuteil werden läßt. Die kaiserlichen Regierungsmaximen waren dieselben wie die aller absoluten Herrscher. Die Zensur ließ nichts bekanntwerden, was sich auf die Politik bezog, ausgenommen vollendete Tatsachen, und auch diese wurden entstellt. Wenn Sie sich die Mühe machen wollten, den ›Moniteur‹ zu durchblättern oder andere damalige Zeitungen, selbst diejenigen der westlichen Gebiete, so würden Sie darin nicht ein Wort über die vier oder fünf Kriminalprozesse finden, die sechzig bis achtzig Briganten das Leben kosteten. Diese Bezeichnung, die während der Revolutionszeit den Vendéern, den Chouans und allen denen gegeben wurde, die für das Haus Bourbon die Waffen ergriffen, wurde auch unter dem Kaiserreich von Gerichts wegen auf die royalistischen Opfer einiger vereinzelter Verschwörungen angewendet. Für manche leidenschaftlichen Gemüter waren der Kaiser und seine Regierung der Feind; alles was ihn angriff, war ihnen willkommen. Ich erkläre Ihnen diese Anschauungen, ohne mir anzumaßen, ein Urteil über sie abzugeben, und fahre nun fort.
Stellen Sie sich nun vor,« sagte er nach einer Pause, die bei so langen Berichten unvermeidlich ist, »daß diese durch den Bürgerkrieg von 1793 ruinierten Royalisten in die leidenschaftlichste Erregung geraten waren; daß es ungewöhnliche Naturen wie die des Schwiegersohns der Frau de la Chanterie und des früheren Anführers waren, die von der Not bedrängt wurden, und Sie werden verstehen, daß sie sich hinreißen lassen konnten, im eigenen Interesse räuberische Taten auszuführen, die ihre politische Überzeugung gegen die kaiserliche Regierung zugunsten der guten Sache zuließ. Der junge Anführer ging nun daran, den Brand der Chouannerie wiederanzufachen, um im geeigneten Moment loszuschlagen. Der Kaiser machte damals eine schreckliche Krise durch, als er, auf der Insel Lobau eingeschlossen, dem vereinigten Angriff der Engländer und Österreicher unterliegen zu müssen schien. Der Sieg bei Wagram machte die innere Verschwörung ziemlich bedeutungslos. Die Hoffnung, die Fackel des Bürgerkrieges in der Bretagne, der Vendée und einem Teil der Normandie wiederanzufachen, traf in verhängnisvoller Weise mit der Zerrüttung der Vermögensverhältnisse des Barons zusammen, der mit dem Gedanken einer Unternehmung liebäugelte, deren Ertrag ausschließlich dazu dienen sollte, seine Besitzungen zu retten. In ihrem vornehmen Empfinden weigerten sich seine Frau und sein Freund, im Privatinteresse die Gelder beiseitezubringen, die mit bewaffneter Hand aus der Staatskasse geraubt werden sollten, um die Aufrührer und Chouans zu besolden und Waffen und Munition zu beschaffen, um eine Erhebung der Parteigänger ins Werk zu setzen. Als nach anzüglichen Diskussionen der junge Anführer, unterstützt von der Frau, sich definitiv weigerte, dem Ehemann hunderttausend Franken zu überlassen, deren Raub zugunsten der königlichen Armee an einer der Generalstaatskassen des Westens verübt werden sollte, verschwand der Baron, um sich mehreren dringenden Haftbefehlen zu entziehen. Seine Gläubiger wollten sich an das Vermögen der Frau halten, aber der Elende hatte das Interesse verscherzt, das eine Gattin dazu bringt, sich für ihren Mann zu opfern. Alles das war der armen Frau de la Chanterie unbekannt; aber auch das ist noch nichts im Vergleiche mit dem Komplott,
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