Kein Anschluss unter dieser Nummer - Roman
ihren knapp 1,60 Meter gegenüber den endlos langen Beinen der Russin im Nachteil war. Glücklicherweise kreuzte gerade eine Schulklasse in Zweierreihen auf dem Weg zur U-Bahn den Bürgersteig. Wie alle anderen musste auch Talia stehen bleiben. Atemlos erreichte Christy Talia und klopfte ihr auf die Schulter, als die gerade weitergehen wollte.
»Entschuldigen Sie bitte«, keuchte sie und schoss um Talia herum, bis sie vor ihr stand.
Talia Popova war eine Blondine mit rasiermesserscharfen Wangenknochen. Offenbar dachte sie, jemand wolle sie überfallen, jedenfalls presste sie ihre Handtasche fest an sich und nahm eine kämpferische Haltung an. Diese milderte sie nur unwesentlich ab, als sie erkannte, wer die vermeintliche Angreiferin war.
»Sie!«, stieß Talia durch wunderschöne, zusammengebissene Zähne hervor. »Sie sind zu spät! Und jetzt komme ich zu spät!«
»Das tut mir leid«, keuchte Christy. »Aber ich hatte einen Notfall. Ist Bouvier … oh!« Christy hatte einen heftigen Stoß in die Rippen erhalten und stellte überrascht fest, dass Talia sie geboxt hatte. »Hey!«, schimpfte sie. »Was soll das? Sie können andere Leute nicht einfach in die Rippen boxen.«
»Doch, das kann ich«, blaffte Talia sie an und sah über ihre lange Nase hinweg auf Christy hinunter. »Gehen Sie mir aus dem Weg! Taxi!« Wütend fuchtelte sie mit dem Arm in der Luft herum, um Christys Taxi herbeizuwinken.
»Aber ich muss Bouvier haben. Was haben Sie mit ihr gemacht?«
Talia winkte ab. »Bouvier? Wen interessiert Bouvier? Ich komme zu spät zu Miss Lopez!«
Beim Klang dieses Namens riss Christy die Augen auf. »Miss Lopez ? Meinen Sie etwa - die Miss Lopez?«
»Wen sollte ich sonst meinen?« Die Russin lächelte selbstgefällig. »Miss Lopez hat Platin-Kundenstatus - und Ihre Mrs Kramer hat nur Gold. Und jetzt werde ich in dieses Taxi steigen.« Sie hatten das Taxi erreicht. Toni hatte sich ins Fahrerfenster gebeugt, um zu bezahlen. Jetzt richtete er sich auf und wandte sich der Frau zu, die er so laut reden hörte.
Wie auf Knopfdruck ging eine merkwürdige Veränderung mit Talia Popova vor. Als sie Tonis Gesicht sah, blieb sie wie vom Blitz getroffen stehen. Ihr Arm, mit dem sie hektisch das Taxi herbeizuwinken versucht hatte, fiel herab und ihr Mund stand weit offen.
Toni schien derartige Reaktionen gewohnt zu sein. Er lächelte Talia freundlich an. Offenbar hatte er auf Talia eine ähnliche Wirkung wie auf Brigitte, nur um ein Vielfaches stärker. Verblüfft schaute Christy von einem zum anderen.
»Toni Benetti«, krächzte Talia schließlich und sah aus, als würde sie jeden Moment ohnmächtig werden.
Der Taxifahrer mochte nicht länger darauf warten, ob die Frau nun einstieg oder nicht. Er schüttelte den Kopf, packte sein Lenkrad und fuhr davon.
»Sie kennen ihn ?« Christy traute ihren Ohren nicht.
Toni küsste Talia die Hand. »Geschmack ist King«, säuselte
er. Christy war nicht sicher, was der Burger King-Slogan an dieser Stelle zu bedeuten hatte, aber Talia wirkte begeistert.
»Ich kann nicht glauben, dass Sie es wirklich sind!«, hauchte Talia. Und dann brach eine Sturzflut russischer Silben aus ihr heraus. Deren Bedeutung war Christy klar, obwohl ihr Russisch in etwa so gut war wie ihre heutigen Versuche, pünktlich zu sein. Talia war hingerissen.
»Okay, verrät mir bitte jemand, was hier läuft?« Christy sah auffordernd von einem zum anderen.
»Was meinen Sie damit?« Talia hatte sich ein bisschen gefangen und sah Christy überrascht an. »In meiner Heimat kennt jeder Toni Benetti. Er ist ein Supermodel. In Russland ist er ein Star. Genauso wie in der Ukraine, Weißrussland, Estland und Lettland.«
»Wirklich? Toni, das ist ja wunderbar!« Aber nicht verwunderlich , fügte Christy in Gedanken hinzu. Jetzt verstand sie auch, warum er in die Staaten gekommen war. Nachdem er Osteuropa erobert hatte, wollte er jetzt in den USA Karriere machen. Sie hatte von Anfang an das Gefühl gehabt, dass er zu clever war, um sich aus einer Laune heraus ins Flugzeug zu setzen. Toni signierte das Stück Papier, das Talia ihm in die Hand gedrückt hatte.
Als er ihr sein Autogramm überreichte, kreischte sie wie ein Teenager. »Vielen, vielen Dank«, jubelte sie. »Wenn es irgendetwas gibt, was ich für Sie tun kann, während Sie in den Vereinigten Staaten sind, bitte …«
»Wissen Sie, Talia, da wäre tatsächlich etwas …« Christy erkannte ihre Chance, die Situation - und Bouvier - zu retten.
»Ja, aber
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