Kein Anschluss unter dieser Nummer - Roman
vertrauten ihm so viele große Unternehmen ihre Personalprobleme an. Normalerweise war er auch ein guter Zuhörer, aber heute war er mit den Gedanken woanders. Die Einfahrt zum Haus seiner Großeltern weckte lebhafte Erinnerungen. Die dicken, überhängenden Äste bogen sich unter duftenden neuen Trieben. Laura beschrieb ihm ihre noch nicht vergebene Tochter und klang dabei so ernst, dass es ihn amüsierte.
»… absolut zuverlässig - wissen Sie, sie hat als Jahrgangsbeste ihren Abschluss am College gemacht. Trotzdem wurde sie nie eine dieser streberhaften Karrierefrauen … na ja, vielleicht ein kleines bisschen, aber sie ist keine von diesen falschen Schlangen, die alles dafür tun, um Karriere zu machen, Sie wissen schon … sie ist hübsch und …«
Will schaltete auf Autopilot und nickte, nur mit halbem Ohr zuhörend. Das Leben von Fremden hatte ihn noch nie interessiert, und er hatte nicht vor, jetzt damit anzufangen.
Auf dieser Einfahrt hatte er Fahrradfahren gelernt. Und da war der Baumstumpf, an dem er sich beim Sturz den Kopf angeschlagen hatte, nachdem er sich zu früh sicher gefühlt hatte.
Und dann … tauchte das Haus vor ihm auf. Weitläufig, ein bisschen heruntergekommen, aber genauso, wie er es
in Erinnerung hatte. Die einladende Veranda, abblätternde blaue Farbe, schmale Fenster, die trotz der vielen Bäume jeden Lichtstrahl einfingen …
Schon wieder rief jemand auf diesem iPhone an. Will zuckte zusammen.
Er hoffte, dass es endlich die Besitzerin dieses Handys war. Aber auf dem Display stand der Name irgendeines Typen. Dann kam noch ein Anruf von Daisy-Bells Blumenladen. Auch dieses Mal ging Will nicht ran. Er antwortete auch nicht auf die vier SMS, die innerhalb der nächsten Minuten eintrudelten. Diese Dame schien wirklich gut zu tun zu haben! Eine SMS trug den Vermerk Dringend! und war von jemandem namens Schwesterherz - ob sie das vielleicht war? Nein, die Besitzerin dieses Telefons würde doch wohl anrufen und keine SMS schicken?
»Mr Thompson?«, hörte er wie aus der Ferne Lauras sanfte Stimme. »Wie ich sehe, sind Sie ein vielbeschäftigter Mann.«
»Das ist nicht mein Handy. Hatte ich das nicht erwähnt? Sie glauben doch nicht, ich würde 9 to 5 als Klingelton einstellen, oder?«
»Ich würde mir nie anmaßen, darüber zu urteilen!« Laura lachte.
Sie schloss die Haustür auf. Gemeinsam betraten sie Großvaters Haus und wurden von einer unheimlichen Stille empfangen. Obwohl die meisten Möbel bereits abgeholt worden waren, fühlte es sich immer noch mit erdrückender Wucht wie sein zweites Zuhause an.
»Brauchen Sie mich, um für den Verkauf alles auszumessen?«, fragte Will, als er sich zu sprechen traute.
»Um Gottes Willen! Das würde ich Ihnen nicht im Traum zumuten!«, versicherte Laura. »Das hat mein Büro bereits erledigt, bevor sie herkamen. Ich muss mit Ihnen lediglich das Inventar prüfen. Wenn ich recht verstanden habe, soll der größte Teil davon nach dem Verkauf im Haus bleiben. Und dann brauche ich noch Ihre Unterschrift auf den Verträgen für die Zustimmung des Verkaufs. Danach … oh!« Dieses Mal klingelte Lauras Handy. Es war ein angenehmer, vernünftiger Klingelton. »Entschuldigen Sie mich bitte kurz. Vielleicht sehen Sie sich in der Zeit schon mal um?«
Will war froh, allein durch die Räume gehen zu können. Er versuchte, das Wesen des Hauses in sich aufzunehmen. Es war vielleicht die letzte Gelegenheit. Staubkörnchen hingen in der Luft und tanzten in den gleißenden Sonnenstrahlen, die durch die halbgeschlossenen Läden fielen. Es war so still wie in einer Gruft. Die Holztreppe, die gemütliche Küche … Er spürte den Verlust des Großvaters so stark, dass ihm dessen Abwesenheit vorkam, als wäre er noch da. Will atmete ein paarmal tief durch.
Er ging von Zimmer zu Zimmer, überprüfte Lauras Liste der Gegenstände, die bleiben oder abgeholt werden sollten. Ein alter Eichenspiegel, Wäscheschränke, Teppiche - alles schmerzhafte Erinnerungen an seinen Großvater und seine eigene Kindheit. Nachdem Will mit seiner Runde durch das Haus fertig war, fühlte er sich zermürbt. Als er in die Eingangshalle zurückkehrte, war er froh, Lauras sympathisches Gesicht zu sehen.
»Wie war es?«, fragte sie.
»Scheint alles zu stimmen«, antwortete er und wedelte mit der Liste.
»Das habe ich nicht gemeint«, sagte sie. Diese Frau war wirklich klug. Konnte man ihm seinen Schmerz so deutlich ansehen? »Es ist ein bisschen komisch, aber ich bin okay.« Er
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