Kein Anschluss unter dieser Nummer - Roman
verdrängte die Trauer, indem er aufs Geschäftliche zurückkam. »Was soll ich unterschreiben?« Will zwang sich, so normal wie möglich zu klingen.
Laura biss sich auf die Unterlippe. »Nun, ich habe den Vertrag in meiner Tasche, aber ich fürchte, es gibt ein Problem.«
»Was für ein Problem?« Keiner von ihnen machte auch nur eine Bemerkung darüber, als das iPhone zum x-ten Mal klingelte. Verärgert warf Will einen Blick auf das Display. Irgendein Hotel. Er sah keinen Grund ranzugehen. Die Anrufer konnten alle auf die Mailbox sprechen und die Besitzerin des iPhones konnte sich später darum kümmern. Er schob es tief in seine Tasche und starrte auf den Vertrag, den Laura ihm hinhielt. »Sie müssen mir behilflich sein. Meine Fähigkeiten im Schnelllesen sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.«
»Es ist nicht der Vertrag.« Laura seufzte. »Es ist die Unterschrift. Die Ihres Vaters.«
Will blickte auf das Seitenende. Da, auf der gepunkteten Linie neben dem getippten Namen Carl Thompson stand die energische, gestochen scharfe Unterschrift seines Vaters - »Ronald Reagan«.
Unglaublich.
Verzweifelt raufte sich Will die Haare. »Tut mir leid, Laura. Mein Vater liebt es - wie soll ich sagen - das Leben
zu seinen eigenen Bedingungen zu leben«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich dachte allerdings, dass man sich wenigstens bei dieser wichtigen Angelegenheit auf ihn verlassen könnte. Ich kann mich nur bei Ihnen entschuldigen.«
»Nicht nötig«, flüsterte Laura verständnisvoll. »Überhaupt nicht. Hören Sie, soll ich zu Ihrem Vater gehen und mit ihm reden? Ich kann sehen, wie schwer Ihnen das fällt.«
»Würden Sie das tun?« Einen Moment lang war Will in Versuchung geführt. Dann schüttelte er jedoch den Kopf. »Vielen Dank, aber nein. Darum muss ich mich selber kümmern.«
Laura lächelte und berührte ihn am Arm. »Wie Sie wollen. Dann überlasse ich es Ihnen. Ich hoffe, es wird nicht allzu unangenehm für Sie. Nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich es so offen sage: Eltern können schwierig sein, aber man bekommt im Leben nur dieses eine Paar!«
»Danke«, antwortete Will und überlegte, ob er Laura erzählen sollte, dass er in seinem Leben nicht einmal die Hälfte davon gehabt hatte. Er tat es nicht. Sie brauchte sich nicht anhören, welchen Ballast er aus seiner Kindheit mit sich herumschleppte.
Nachdem er sich von Laura verabschiedet hatte, marschierte Will die Straße hinunter zum Haus seines Vaters. Er hatte die Verträge unter den Arm geklemmt und kochte vor Wut. Das war so typisch für seinen Vater. Dieser Mann hielt sie alle zum Narren. Er war schon immer schwierig gewesen, aber das hier setzte allem die Krone auf! Statt sich selbst mit der Maklerin zu treffen, ließ er
seinen Sohn den weiten Weg nach Brunswick kommen. Sie war schließlich keine Menschenfresserin. Und ihre Tochter arbeitete sogar für ihn! Das hätte die Sache doch erleichtern müssen. Aber nein … wenn es um seinen Dad ging, war nichts einfach.
Und wer unterschrieb schon mit Ronald Reagan, mal abgesehen von Ronald Reagan selbst? Ein egoistischer, um Aufmerksamkeit buhlender Mann, der auf einem anderen Planeten lebte und sich keinerlei Gedanken über die Konsequenzen machte.
Vielleicht hätte er sich eine Menge Ärger erspart, wenn er Lauras Angebot angenommen hätte, sich mit seinem Dad auseinanderzusetzen. Während der Zugfahrt hatte Will beschlossen, seinen Vater nicht einmal zu besuchen - warum auch? Nie hatte er Zeit für ihn gehabt, als er noch klein war. Warum ihm also nicht zeigen, dass etwas von seiner Art auf den Sohn abgefärbt hatte?
Aber er hatte gesagt, selbst mit ihm reden zu wollen, jetzt musste er es auch durchziehen. Während er wütend den Bürgersteig entlangstapfte, spielte er im Kopf durch, was er ihm sagen würde, und wichtiger noch - wie er es sagen würde. Am liebsten würde er ihn anschreien, an den Schultern packen und schütteln. Genau das brauchte dieser Mann. Aus seiner langjährigen Erfahrung in der Personalberatung wusste Will jedoch, dass körperliche Gewalt kontraproduktiv war. Er musste sich irgendwie beruhigen und seinem Vater gegenübertreten wie ein Erwachsener einem anderen. Er musste das Ganze wie eine seiner Mediationssitzungen betrachten.
Just in dem Moment klingelte das Handy des Mädchens
wieder. Will ging weiter und war versucht, das Klingeln zu ignorieren. Er hatte die Haustür erreicht. Das alte Schild hing immer noch da: »Bitte gehen Sie
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