Kein Anschluss unter dieser Nummer - Roman
dieses für Notfälle. Und hier scheint es sich um einen Notfall zu handeln.«
Christy war baff. »Oh … das ist … sehr nett von Ihnen. Aber das kann ich unmöglich annehmen!«
Er zog die Augenbrauen hoch, und die Augen in seinem sympathischen Gesicht blitzten amüsiert.
»Oder doch?« Dankbar nahm sie das Handy entgegen. »Ich danke Ihnen sehr. Ich werde mich beeilen, und natürlich bezahle ich die Gespräche.«
»Ich helfe Ihnen gern, Ma’am. Behalten Sie es ruhig, bis Sie Ihr Handy zurückhaben. Ich arbeite hier«, erklärte er und deutete auf den Boden. Dann lächelte er wieder und reichte ihr seine Karte. Sein Name war Roger Grace, und er war Geschäftsführer eines Reiseveranstalters hier am Flughafen. Auf der Karte standen Anschrift, diverse Telefonnummern, eine E-Mail- und eine Web-Adresse.
Christy war hin- und hergerissen, ob sie das Angebot dieses Fremden rigoros ablehnen oder ihrem überwältigenden Verlangen nachgeben sollte, wieder in Kontakt mit der Welt zu treten. Sie starrte auf das Telefon. Es wäre eine große Hilfe, bis sie ihr eigenes wiederhatte … falls sie es denn je zurückbekam. »Mr Grace, ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll.«
»Nennen Sie mich bitte Roger. Und Sie haben mir schon gedankt«, erinnerte er sie.
»Ich werde es Ihnen so schnell wie möglich zurückgeben«, versicherte Christy.
»Das weiß ich«, sagte er und lächelte sie an. Dann entdeckte er die französische Familie, die er abholen wollte, und winkte sie zu sich. »Auf Wiedersehen, Miss - äh …«
»Christy«, antwortete sie. »Ich heiße Christy.«
»Auf Wiedersehen Christy und viel Glück heute«, sagte Roger, ihr Handy-Retter, bevor er mit seinen Kunden loszog.
Hektisch wie eine Süchtige, die den nächsten Schuss braucht, tippte Christy die Nummer ihres Handys ein,
nur um mit einem erbitterten Ausruf festzustellen, dass sie keinen Empfang hatte. Sie schickte ein Stoßgebet gen Himmel, dass dieser Will gerade durch einen Tunnel fuhr. Hoffentlich gehörte er nicht zu diesen Menschen, die mit einem gefundenen Handy sämtliche Freunde in China anrufen und das Ding dann in den nächsten Fluss werfen.
Sie musste mit Annie sprechen und dringend mehr Details über Antonio von ihr erfahren. Am Flughafen mit einem Schild zu warten, bedeutete für ihren Geschmack alles zu sehr dem Zufall überlassen. Aber sie wusste Annies Nummer nicht auswendig. Die war, wie der Rest ihres Lebens, in ihrem iPhone gespeichert. Es musste also anders gehen. Außer ihrer eigenen Handynummer kannte Christy nur eine einzige weitere Nummer auswendig: die ihrer Mutter. Ihre Mom arbeitete zwar um diese Zeit, aber dies war ein Notfall. Christy wählte.
»Hallo Süße!« Ihre Mutter schaffte es immer, so zu klingen, als hätte sie für ihre Töchter alle Zeit der Welt. Dabei war sie ständig beschäftigt, egal, ob sie zu Hause oder unterwegs war. »Schön, deine Stimme zu hören. Hast du ein neues Handy? Ich habe die Nummer gar nicht erkannt.«
»Oh Mom, das ist eine lange Geschichte. Ich bin am Flughafen und warte auf Antonio. Und auf dem Weg hierher habe ich mein Handy im Zug liegenlassen.«
»Mit so etwas rechne ich eher bei Annie!«
Christy verdrehte die Augen. »Ich weiß, Mom. Aber ein sehr netter Mann hat mir sein Handy geliehen.«
»Tatsächlich? Sieht er gut aus?«
»Mom! Hör auf damit, mich ständig verkuppeln zu wollen! Das hatte ich schon heute Morgen mit Annie. Ich brauche deine Hilfe!«
»Okay, was kann ich tun?« Ihre Mutter wurde sofort besorgt und geschäftsmäßig.
»Ich brauche Annies Nummer.«
»Du brauchst mich, damit ich dir die Telefonnummer deiner eigenen Schwester gebe?« Ihre Mutter klang fassungslos. »Christy Elizabeth Davies, zu deinem engsten Familienkreis zählen exakt zwei - ich wiederhole - zwei Menschen. Und du kennst nur von einem die Telefonnummer? Du solltest dich schämen!«
Christy lächelte über den liebevoll spöttischen Ton ihrer Mutter. Früher hatte Christy Annies Nummer auswendig gewusst. Sie hatte viele Nummern im Kopf gehabt - Kunden, Freunde, Familie, Geschäftsfreunde. Aber je länger die Liste ihrer Kontakte wurde, desto mehr verließ sie sich auf ihr iPhone. Es war so bequem ! Tatsächlich bezweifelte sie, dass sie ihre Firma ohne die Hilfe ihres elektrischen Sekretärs so weit hätte ausbauen können.
Sie wühlte in ihrer Handtasche nach dem zerfledderten Adressbuch, dessen Existenz sie schon fast vergessen hatte. Ungenutzt vegetierte es in ihrer Tasche dahin und
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