Kein Applaus Für Podmanitzki - Satirisches
nicht wirklich gut, aber es wies immerhin ein paar Situationen auf, die zum Lachen reizten, und Emanueli zögerte nicht, sie mit den denkbar vulgärsten Mitteln auszuspielen. Das minderklassige Publikum erging sich in lautem Gelächter und am Schluß in noch lauterem Beifall.
Durch den Noga-Block, der die ersten Reihen besetzt hielt, geisterte spürbares Unbehagen. Daß Schlomo Emanueli versuchen würde, sein Programm im zweiten Teil zu steigern, war uns von vornherein klar gewesen. Aber wir hätten nie erwartet, daß er es mit so unverschämter Offenheit tun würde.
»Eine Nummer«, gab Zurkewitz zu bedenken, »eine Nummer muß ja schließlich ankommen...«
Damit konnte er uns nicht trösten. Die folgende Ballade über den kleinen Beamten, der als einziger im ganzen Büro niemals bestochen wurde, rief abermals donnernden Applaus hervor -kein Wunder, wenn man die soziale Schichtung eines Publikums bedenkt, in dem der Mittelstand, also die Beamtenschaft, einen entscheidenden Prozentsatz bildet. Die beiden alten Hexen hinter uns, deren Schneuzen und Schluchzen uns schon früher unangenehm aufgefallen war, tobten geradezu vor Begeisterung. Als ob wir im Zirkus wären. Überhaupt nahm das Lärmen unwürdige Ausmaße an. Dabei waren es immer die gleichen, deutlich als Freunde oder Verwandte erkennbaren Enthusiasten, die den Lärm erzeugten. Man erkannte sie an der krampfhaft aufgesetzten Heiterkeit ihrer Mienen, während die ehrlichen Noga-Stammgäste immer düsterer vor sich hinblickten.
»Stuckler hatte recht.« Mme. Kischinowskajas Stimme klang heiser. »Es ist eine Zumutung, so etwas mitansehen zu müssen. Wir hätten rechtzeitig gehen sollen.«
Leider ließ sich das Versäumnis nicht mehr gutmachen. Jetzt konnten wir nur noch auf die letzte Nummer warten. Sollte Emanueli auch mit dieser letzten Nummer Erfolg haben, dann würde er womöglich die Chase Manhattan Bank kaufen...
Ich sah Bjala Zurkewitz lautlos die Lippen bewegen. Der hartgesottene Zyniker erinnerte sich seiner Kindheit und betete. »Allmächtiger«, flehte er, »laß ihn durchfallen. Hab Erbarmen mit uns und schenke ihm einen Mißerfolg. Erhöre mein Flehen, Allmächtiger...«
Die letzte Nummer begann. Jetzt ging es um Tod oder Leben.
Wenn ich sage, daß die Ballade, die Schlomo Emanueli zum Abschluß sang, die beste des ganzen Abends war, so will das nicht heißen, daß sie gut war. Vielleicht sollte man sie als konventionelle oder genauer: kommerzielle Ballade bezeichnen. Sie handelte von einem armen, alten Popcornverkäufer, der an der Straßenecke sitzt und seine Popcorntüten verkauft... jedem, der sie haben will... jeder darf sich am Popcorn gütlich tun... nur er, der arme Alte, der beim Pop mit jedem einzelnen Corn rechnen muß, nur er hat noch nie im Leben Popcorn gegessen. Er weiß nicht, wie es schmeckt. Er verkauft es nur, tagaus, tagein...
Im Publikum blieb kein Auge trocken. Selbst ein paar männliche Besucher entblödeten sich nicht, laut aufzuschnupfen, als Schlomo Emanueli die Schlußzeilen seiner Ballade sang:
Und als er trat durchs Himmelstor, Der arme alte Mann, Da kam der Englein ganzer Chor Mit Popcorntüten an. Und Gott der Herr, er segnete Den armen Popcorn-Greis, Und aus den Wolken regnete Das Popcorn knusprig weiß.
Jetzt gab es kein Halten mehr. Die Zuschauer weinten wie die kleinen Kinder. Auch wir brachen in lautes Schluchzen aus, denn nun stand endgültig fest, daß die Show kein Durchfall war, sondern ein Erfolg, ein unantastbarer Erfolg, wir wußten es sowieso, das taktmäßige Klatschen, das jetzt einsetzte, war vollkommen überflüssig, es wirkte nur noch geschmacklos.
Auf dem Weg in die Garderobe, wo ich meinem Freund Schlomo Emanueli von ganzem Herzen gratulieren wollte, stieß ich mit Bjala Zurkewitz zusammen. Wir vermieden es, einander anzusehen.
»Die Armee«, flüsterte er tonlos, »wenigstens die Armee wird die Show nicht buchen. Die sind noch rechtzeitig aus der Generalprobe weggegangen.«
Es war zum Verzweifeln. Mit welcher Wollust hatten wir diesem Abend entgegengesehen! Wie viele Hoffnungen waren jetzt grausam zerstört worden!
Nein, es ist keine Freude mehr, ins Theater zu gehen, wirklich nicht.
Anhaltende Ovationen
Das große historische Drama endet mit der Schlacht von Chateaubriand und mit dem Tod König Ludwigs XX. Noch während der Vorhang fällt, beginnt die Schlacht zwischen dem Publikum und dem Theater. Der vorerst eher zurückhaltende Applaus kommt von jenen
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