Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Applaus Für Podmanitzki - Satirisches

Kein Applaus Für Podmanitzki - Satirisches

Titel: Kein Applaus Für Podmanitzki - Satirisches Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
Vom Netzwerk:
»Peer Gynt« gastierte, und da ich nicht nur in der Lage war, den Titel des Stücks ohne Hilfe eines Dolmetschers zu entziffern, sondern mich überdies erinnerte, im Alter von elf Jahren eine Inhaltsangabe von »Peer Gynt« gelesen zu haben, fühlte ich mich einigermaßen sicher.
    Das stockende Deutsch, in dem ich ein Billet verlangte, trug mir den Respekt der Kassiererin und einen Eckplatz in der elften Reihe ein, knapp neben einer Säule aus kostbarem carrarischem Marmor. Alsbald verdunkelte sich das Haus, und die universale Faszination des Theaters begann. Nach dem Hochgehen des Vorhangs bot sich meinem Auge ein bemerkenswert luxuriöser Anblick: Das Bühnenbild bestand aus einem modernen Swimmingpool samt Stufen und Sprungbrett, aber ohne Wasser. Ein rothaariger Knabe vollführte auf dem Sprungbrett einige gymnastische Übungen und wurde von einer älteren Dame, wahrscheinlich der Inhaberin oder Vermieterin der luxuriösen Villa nebst Zubehör, heftig zurechtgewiesen, wobei sie ihn mit »Gynt« ansprach. Ich schloß daraus, daß ich die Hauptfigur des Dramas vor mir hatte. Nach einigen weiteren unbekümmerten Sprüngen auf dem Sprungbrett ging der rothaarige Knabe ab und entzog sich dadurch allen weiteren Vorwürfen der Vermieterin, die in einem wilden sizilianischen Dialekt hinter ihm herfluchte.
    Im zweiten Bild, das mit dem ersten nur lose zusammenhing, fand eine Hochzeitsfeier statt. Der offenbar nicht geladene Peer Gynt dringt ein, aber keines von den versnobten Mädchen will mit ihm tanzen, denn er ist erstens arm (was man nach dem ersten Bild nicht vermutet hätte), zweitens dumm (das schon eher), drittens betrunken und viertens hat er die schlechte Gewohnheit, den Mund nicht halten zu können. Er spricht ununterbrochen, noch dazu mit hörbarem Südtiroler Akzent. Er spricht bis zu dem Augenblick, da eine blonde Opernsängerin namens Solvejg erscheint, in die er sich sofort verliebt, und zwar dergestalt, daß er mit einer anderen, der Braut des Tages, auf und davon geht.
    Als der Vorhang fiel, nahm ich an, daß das Stück zu Ende wäre, stand auf, um zu applaudieren, mußte jedoch entdecken, daß ich der einzige war.
    Das nächste Bild zeigt Peer allein in einem unheimlichen unterirdischen Wald, wo er mit einem vierbusigen Monstrum Verstecken spielt. Warum das Monstrum vier Busen hat, wird niemals klar, aber es hat vier Busen und spielt mit Peer Verstecken. Die Verwandten des Monstrums, seltsamerweise von zwergenhafter Gestalt, fordern ihn auf, sich der Untergrundbewegung anzuschließen und befestigen deren Wahrzeichen - einen langen Schweif - an seinem Hintern. Da Peers Verlangen nach einem Alfa Romeo von den Zwergen abgelehnt wird, kommt die vielversprechende Verbindung nicht zustande. In der folgenden Szene herrscht höchste politische Spannung. Peer hat sich unter seinem Lieblingssprungbrett zu einem kleinen Nickerchen hingelegt und wacht verärgert auf, als ein vorüberfahrender Lautsprecherwagen Wahlparolen in die Gegend schmettert. Für ihn mögen sie verständlich gewesen sein, für mich waren sie es nicht. Jetzt fiel mir auch ein, daß ich im Alter von elf Jahren nicht die Inhaltsangabe von »Peer Gynt« gelesen hatte, sondern von »Onkel Toms Hütte«.
    Mittlerweile ist das unreife rothaarige Kind zu einem reifen rothaarigen Mann geworden und sogar zum Besitzer eines Mantels. Jetzt schlägt er mit einer Axt auf einen Baum ein und lockt durch das Geräusch die blonde Solvejg herbei, die sich unverkennbar davon beeindruckt zeigt, daß er noch immer keinen anderen Menschen zu Wort kommen läßt. Auf der Gegenseite der Bühne entsteigt dem unterirdischen Wald das vierbusige Monstrum. Es hat sich in eine Art jiddische Mamme verwandelt und führt ein kleines Kind an der Hand, in dem wir unschwer die sündige Frucht ihrer Liebesaffäre mit Boris Karloff erkennen. Peer Gynt verliert jedes Interesse an den Vorgängen und wünscht nach Kanada zu emigrieren, muß diesen Plan jedoch aufgeben, weil ihm die nötigen Devisen verweigert werden.
    Als der Vorhang fiel, stand ich auf und applaudierte, denn ich nahm abermals an, daß das Stück zu Ende wäre. Es war aber nur die Pause.
    Während der Pause muß Peer trotz allem nach Kanada gelangt sein und dort eine Goldgrube entdeckt haben; jedenfalls präsentiert er sich beim Aufgehen des Vorhangs in einem weißen Smoking. Auch das Sprungbrett ist wieder da, er nimmt es überallhin mit, es ist sein Fetisch, ja mehr als das, es ist ein Symbol für seine Karriere.

Weitere Kostenlose Bücher