Kein Augenblick zu früh (German Edition)
einfach nur herumsitzen und auf Dad warten?« Frustriert verdrehte er die Augen. »Darf ich dir einen Kaffee holen, während wir warten? Oder vielleicht die Einheit anrufen, sie sollen uns ein paar Donuts mitbringen, wenn sie uns holen kommen?«
Ich setzte meine Schmollmiene auf. »Nö. Ich hab Dad gesagt, er soll um sieben Uhr hier sein. Er wird bestimmt gleich auftauchen.«
»Oh, super, Lila. In echt, als Strategieplanerin bist du einfach genial. Warum hast du ihm gesagt, er soll uns ausgerechnet hier treffen?«
Ich zuckte die Schultern. »Schien mir am einfachsten.«
Jack schüttelte nur in stummer Verzweiflung den Kopf. Wahrscheinlich wunderte er sich, wie er überhaupt mit mir verwandt sein konnte. Vorsichtig zog er die Tür einen Spaltbreit auf und spähte in den Flur hinaus. Aber selbst wenn Dad und Jack nicht sehr gut miteinander auskamen, konnte er doch nicht im Ernst vorhaben, Dad in den Händen der Einheit zurückzulassen! Ohne ein Wort packte er mich am Arm und zerrte mich über den bewusstlosen Jonas hinweg zu seiner Zimmertür.
»Was ist? Kommt die Einheit?«, fragte ich, als er mich in eine Ecke schob. Jack richtete die Waffe auf die Tür.
»Nicht die Einheit. Ein Arzt.«
Ich stellte mich schnell vor die Mündung. »Das ist bestimmt Dr. Roberts. Er ist nett. Gehört nicht zu den Bösen.«
»Halt die Klappe und geh mir aus der Schusslinie, Lila.«
Ich wich nicht zur Seite. »Nein.« Mit einem Blick zwang ich seine Hände nach oben, sodass die Mündung der Waffe zur Decke zeigte. Hinter mir ging die Tür auf. Dr. Roberts blieb wie angewurzelt im Türrahmen stehen, während zuerst Verwirrung, dann Verblüffung, schließlich wieder Verwirrung über sein Gesicht huschten.
Langsam glitten seine Augen von der Waffe zu mir und weiteten sich erstaunt, als er mich erkannte. Ich wand mich vor Verlegenheit. Schon huschte sein Blick wieder zu Jack zurück, dieses Mal nicht zur Waffe, sondern zu Jacks nacktem Bauch, der unter dem offen stehenden Arztkittel deutlich zu sehen war. Überrascht registrierte er die makellose Haut, wo eigentlich eine riesige Wunde klaffen sollte. Sein Komapatient stand unverletzt vor ihm, trug einen Arztkittel und fuchtelte mit einer Waffe herum.
Ich spürte, dass Jack versuchte, die Waffe wieder auf den Arzt zu richten, und drehte mich zu ihm um. »Jack, er gehört nicht zur Einheit. Leg die Waffe weg.«
Der Arzt hob langsam die Hände über den Kopf und trat ins Zimmer. Ich schloss die Tür mit einem Blick.
»Lieutenant Loveday«, sagte Dr. Roberts mit leiser, aber fester Stimme. »Sie sollten auf Ihre Schwester hören. Die Waffe ist nicht nötig. Ich tue Ihnen nichts. Aber ich möchte Sie gerne untersuchen.«
»Dafür haben wir keine Zeit, Dr. Roberts.« Immerhin ließ Jack die Waffe los. Ich fing sie mit einem Blick auf. Sie blieb ungefähr in Kniehöhe vor Dr. Roberts schweben, als sei sie an unsichtbaren Fäden an der Decke befestigt. Dr. Roberts schaute ungläubig zwischen mir und der Waffe hin und her. Bevor er etwas sagen konnte, packte Jack ihn am Kragen und zerrte ihn in das Besucherzimmer. Ich schnappte die Waffe, lief den beiden nach und stellte mich Jack in den Weg.
»Wir brauchen ihn nicht einzusperren«, sagte ich zu Jack und hoffte, dass ich mich nicht irrte. Dann wandte ich mich an den Arzt. »Dr. Roberts, ich weiß, dass Ihnen das alles sehr … seltsam vorkommen muss … und Sie haben keinen Grund, mir zu glauben … aber bitte, hören Sie mir erst mal zu …«
Der Arzt schwieg.
»Die Einheit will Jack nicht verhaften – sie wollen Experimente an ihm durchführen. Und an mir. Keine harmlosen Untersuchungen, sondern Menschenversuche! Verstehen Sie? Die Einheit ist nicht, was Sie glauben … Das sind Verbrecher …« Meine Stimme klang immer verzweifelter.
Dr. Roberts betrachtete immer noch verwundert Jacks Bauch. Als er mich wieder anschaute, lagen tausend Fragen in seinem Blick.
»Dad muss jeden Augenblick kommen. Aber die Einheit ist auch schon unterwegs. Bitte –«, sagte ich flehend, »können Sie uns helfen?«
Er schwieg, als überlegte er, ob es sich hier um einen Fall von Familienwahnsinn handelte. Mir war vollkommen klar, dass weder meine Schwesternkleidung noch die Waffe sonderlich überzeugend wirkten. Dr. Roberts zog die Augenbrauen zusammen und meine Hoffnung schwand dahin. Ich würde ihn doch ins Land der Träume schicken müssen, dabei hatte ich so gehofft, dass er uns half.
»Was soll ich tun?«, fragte er
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