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Kein Augenblick zu früh (German Edition)

Kein Augenblick zu früh (German Edition)

Titel: Kein Augenblick zu früh (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Alderson
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flogen sie auf. Der Lärm war ohrenbetäubend. Ich sah mich ängstlich um, aber alles blieb ruhig. Schnell durchsuchte ich die Spinde nach etwas Brauchbarem.
    Schwesternkleidung? Na super. Ich ging hinter der Tür in Deckung, zog mich in Rekordzeit bis auf die Unterwäsche aus, steckte meine Laufklamotten in den Spind und wechselte in die Schwesternkleidung. Die weißen Clogs waren eine Nummer zu groß, aber sie mussten genügen. Dann stellte ich mich vor den Spiegel und befestigte mit zitternden Händen die kleine Haube im Haar. Ich sah nicht wie eine Krankenschwester aus, sondern wie eine als Krankenschwester aufgemotzte Stripperin. Wie schafften es die Schwestern, in diesem Outfit auch nur halbwegs würdevoll zu wirken? Aber egal – im Moment hatte ich keine andere Wahl. Aus einem anderen Spind entnahm ich einen Arztmantel, denn auch Jack würde eine Verkleidung brauchen.
    Ich spähte vorsichtig um die Ecke. Der Flur war immer noch gähnend leer. Ich marschierte hinaus, schwang unbekümmert die Arme, die Gummisohlen quietschten auf dem Boden. Ich gab mir alle Mühe, wie eine Krankenschwester zu gehen – so, als wüsste ich genau, wohin ich wollte.
    Und natürlich wusste ich das genau. Jetzt zeigte sich, wie gut es gewesen war, mir die Lage der Flure und Räume einzuprägen, als ich auf der Suche nach einem Getränkeautomaten durch das Krankenhaus gestreift war.
    Drei Schritte vor dem Eingang zur Nottreppe tauchte plötzlich wie aus dem Nichts ein Mann vor mir auf. Er zog einen kleinen Putzwagen hinter sich her und wäre beinahe mit mir zusammengestoßen. Während ich ihm auswich und schnell um die nächste Ecke verschwand, bemerkte ich seinen verwunderten Gesichtsausdruck. Verdammt. Jetzt konnte ich die Treppe nicht benutzen, denn er putzte genau den Flur davor.
    Beim Weitergehen spielte ich mit dem Gedanken, dem Mann mit einem einzigen Blick das Putzwasser entgegen der Schwerkraft ins Gesicht zu spritzen. Ich könnte ihn auch einfach zur Seite schleudern. Ich war unbesiegbar. Sozusagen. Im Moment wäre es mir allerdings viel nützlicher gewesen, wenn ich mich unsichtbar machen könnte. Aber ich musste mich wohl oder übel mit meiner Kraft begnügen.
    Der Flur schien nie enden zu wollen, doch dann kam ich schließlich zu einem Aufzug. Es war riskant, ihn zu benutzen. Ich wusste, dass sich die Lifttür direkt vor dem Schwesternzimmer in der Intensivstation befand, während die Nottreppe am entlegeneren Ende des Flurs mündete. Was würde geschehen, wenn ich aus dem Lift kam und einer Krankenschwester oder gar Dr. Roberts in die Arme lief? Eine plausible Ausrede hatte ich nicht parat. Aber es gab keinen anderen Weg – entweder nahm ich den Lift oder ich musste irgendwie an dem ohnehin schon misstrauischen Putzmann vorbeikommen.
    Entschlossen drückte ich auf den Liftknopf. Die Kabine fuhr langsam herunter; erleichtert sah ich, dass sie leer war. Ich wählte das zweite Stockwerk und betete, dass der Lift unterwegs nicht anhalten würde.
    Mein Gebet wurde nicht erhört. Im ersten Stock kam der Lift ruckend zum Stehen. Panisch blickte ich mich nach einem Versteck um, aber natürlich gab es nichts. Schon glitten die Türen auseinander, doch im selben Augenblick zwang ich sie wieder zusammen. Finger zerrten an dem schmalen Spalt, offenbar versuchte jemand, die Tür mit Gewalt zu öffnen. Ich spürte die Hände förmlich in meinem Kopf und kämpfte, bis sich die Tür wieder völlig schloss. Jemand fluchte »Verdammter Lift!«, während ich noch einmal auf den Knopf für das zweite Stockwerk drückte und nicht mehr losließ.
    Als der Aufzug im zweiten Stock zum Stillstand kam, hielt ich die Tür geschlossen, presste das Ohr dagegen und lauschte auf Stimmen oder Schritte auf der anderen Seite. Nichts. Vorsichtig ließ ich die Lifttür einen Spaltweit aufgleiten und spähte hinaus. Jemand stand ein paar Meter weiter links, vor der Schwesternstation. Jacks Zimmer befand sich rechts vom Lift. Ich musste für eine Ablenkung sorgen.
    Was lag am anderen Ende dieses Flurs? Ein paar Krankenzimmer auf beiden Seiten und ganz hinten der Kaffeeautomat. Ich stellte mir den Automaten vor und schon spürte ich ein leichtes Ziehen, wie ein Fisch an der Angel. Es krachte und schepperte. Dann rannte jemand in die Richtung des Automaten.
    Ich ließ die Lifttür aufgehen, bog sofort nach rechts ab und senkte den Kopf, um nicht erkannt zu werden. Und prallte fast mit einem Soldaten zusammen. Anscheinend hatte der Lärm beim

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