Kein Augenblick zu früh (German Edition)
ihre Ermordung, um sie Demos in die Schuhe zu schieben. Seither haben sie versucht, andere Menschen wie sie zu fangen, Menschen wie … wie Lila.«
»Aber warum? Wozu? Das verstehe ich nicht«, brachte Dad endlich hervor.
»Sie wollen den genetischen Code entschlüsseln, der dafür sorgt, dass Melissa oder Lila oder Jack oder all die anderen solche besonderen Kräfte besitzen.«
»Ja, natürlich, denn sie wollen die Gene reparieren«, sagte Dad. »Aber sie halten doch die Leute nicht gefangen … Wozu denn?«
»Sie halten sie gefangen, um sie für ihre Forschungen zu benutzen. Mit den Ergebnissen wollen sie neue menschliche Waffen konstruieren. Geklonte Soldaten mit Superkräften.«
Einen Augenblick schien es, als würde Dad in ungläubiges Gelächter ausbrechen. Seine Mundwinkel zuckten verräterisch.
Aber Alex blieb ernst. »Genetische Kriegsführung, könnte man sagen.«
Dad verging das Lachen. Er schloss die Augen und schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, aber ich kann nicht …«
»Für Stirling Enterprises«, sagte ich hart, »sind wir nichts als Laborratten. Das ist Mum schon seit fünf Jahren.«
Dads Kopf fuhr zu mir herum.
»Dad«, sagte ich, »sie experimentieren mit uns. Versuchen herauszufinden, wie Leute zu Telepathen oder Telekinetikern werden. Und sobald sie herausgefunden haben, wie das funktioniert, verkaufen sie das Geheimnis an den, der am meisten dafür zahlt.«
Er schien mir immer noch nicht zu glauben.
»Stell dir das doch mal vor: Irgendwelche verrückten Leute können deine Gedanken hören. Ganze Armeen von Soldaten, die Panzer mit einem einzigen Blick umkippen. Und stell dir vor, wenn dieses Wissen in die falschen Hände gerät. Denn genau das würde passieren!«
Endlich verschwand die Leere aus seinem Gesicht – meine Lektion über die neue Weltordnung kam allmählich bei ihm an. »Und deine Forschungsergebnisse, Dad, helfen ihnen dabei. Sie behaupten, dass sie kurz vor dem Durchbruch stehen!«
Er starrte mich geschockt an. »Was meinst du damit?«
»Sie haben dir die Forschungsergebnisse gestohlen. Du warst doch überzeugt, dass es um eine gute Sache geht und dass du helfen kannst, nicht wahr? Aber es war ein bisschen anders, als du gedacht hast.«
»Das kann nicht sein.«
»Es stimmt – sie hat Recht«, mischte sich Alex ein.
Erst jetzt schien die Wahrheit zu Dad durchzudringen. »Melissa … lebt?«, flüsterte er. Es lag so etwas wie tiefes Staunen in seiner Stimme, dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus – und erlosch sofort wieder. Abrupt wandte er sich an mich. »Und wie lange hast du das schon gewusst?« Seine Wut traf mich völlig unvorbereitet.
»Erst seit ein paar Wochen«, antwortete Alex für mich. »Seit Demos Lila … entführt hat.«
Dad schien kurz nachzurechnen, dann brüllte er plötzlich: »Und warum hast du mir davon kein Wort gesagt?« Er fuhr zu Jack herum. »Wir drehen sofort um und fahren zurück! Wir müssen die Polizei einschalten. Wir müssen … wir müssen sie …« Er sprang auf und lief zur Treppe. »Los! Worauf wartet ihr noch?«
»Dad!«, rief Jack und packte ihn am Arm.
Auch Alex war aufgesprungen und stellte sich zwischen Dad und die Treppe. »Ich weiß, was für ein Schock das für Sie ist, aber bitte lassen Sie uns erst einmal zu Ende reden. Wir können jetzt nicht zurück. Wir haben seit Tagen an einem Plan gearbeitet, Melissa zu befreien und gleichzeitig der Einheit das Handwerk zu legen. Aber als wir herausfanden, dass sie Jack schon heute ins Hauptquartier verlegen wollten, war Lila gezwungen, schneller zu handeln, als wir geplant hatten.«
Ach ja? Jetzt schob er mir die Schuld an allem zu.
»Aber wir werden zurückkommen und sie herausholen, das versprechen wir Ihnen«, fuhr Alex beruhigend fort.
»Nein. Wir fahren jetzt sofort zurück!«, brüllte mein Vater und versuchte, sich an ihm vorbeizudrängen.
Alex wich keinen Zentimeter zur Seite. »Im Moment können wir auf keinen Fall zurück, Dr. Loveday.«
Dad starrte Alex an. Er wirkte plötzlich klein und unterlegen. Der Junge, den er seit frühester Kindheit kannte, erteilte ihm Befehle – Dad, der als Arzt ständig selbst den Ton angab, hatte hier nicht das Sagen.
»Wir müssen auf Demos und die anderen warten«, sagte ich.
»Demos?« Mein Vater fuhr verwirrt herum.
»Ja, Demos«, sagte Alex und warf mir einen warnenden Blick zu. Offenbar hatte er Dad diese Tatsache ein bisschen schonender beibringen wollen. Ihre Frau ist am Leben und
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