Kein Augenblick zu früh (German Edition)
herum und spionierst die Leute aus!«, fauchte sie.
»Du spionierst auch andauernd andere Leute aus, Suki, nämlich ihre Gedanken«, warf ich ein.
Sie zog einen Schmollmund, widersprach aber nicht. »Es ist trotzdem nicht fair. Ich will auch mit ins Hauptquartier, ich will selbst sehen, was für schlimme Sachen sie dort machen.«
Ich zuckte zusammen; die »schlimmen Sachen« wurden meiner Mutter zugefügt. »Wann gehen wir endlich?«, murmelte ich. Durch das Bullauge sah ich, dass es schon dunkel wurde. Im Hafen schaukelten die Lichter anderer Jachten auf und ab.
»Harvey ist noch nicht fertig«, sagte Nate.
»Ich weiß, ich weiß.« Es fiel mir schwer, meine Ungeduld zu beherrschen. Harvey versuchte, im Internet so viel wie möglich über das Sicherheitssystem herauszufinden, das im Hauptquartier installiert war. Davon hing es ab, welche Werkzeuge er mitnehmen musste. Er hatte uns erklärt, dass seine Kenntnisse über die neuesten Systeme während seiner Zeit im Knast ein bisschen eingerostet seien, außerdem habe er seit damals keine Bank mehr überfallen.
Jack, Demos, Alex und Dad steckten die Köpfe zusammen, um unsere Fluchtoptionen durchzugehen. Jack behauptete immer noch, eine Fluchtstrategie sei unnötig, denn Sara sei so verlässlich wie eine Heilige und würde uns helfen, aber Alex bestand auf einem Notfallplan.
Ich setzte mich auf die Bettkante. »Erzählt mir mal, was ihr in Washington gemacht habt.«
Suki klatschte eifrig in die Hände. »Mann, das war echt super. Ich war shoppen.« Sie streckte einen Fuß aus und führte mir ihre neuesten High Heels vor, die mindestens zehn Zentimeter hoch und mit winzigen Kristallen verziert waren. »Ach so, du meinst die Sache mit den Drogen und so?«, fragte sie unschuldig, als sie mein Gesicht sah. Dann lachte sie hell auf. »Hätte am liebsten was davon behalten.«
»Von den Drogen?«
»Nein, vom Geld. Aber Demos hat es uns nicht erlaubt.« Wieder ein Schmollmund. »Ich glaube, er hat ein bisschen davon für sich beiseitegeschafft. Und Alex hat die Jacht hier bestimmt nicht mit seiner eigenen Kreditkarte bezahlt, wenn du weißt, was ich meine.«
Ich kicherte. Es war mir egal, womit er das Boot bezahlt hatte, ich hoffte nur, dass wir damit bald in den Sonnenuntergang fahren würden – und die anderen weit hinter uns zurückließen, sodass Suki meine Gedanken nicht mehr hören konnte.
»Gemein! Ich will auch mit! Nie darf ich dabei sein …!«, protestierte sie prompt.
»Verschwinde aus meinen Gedanken! Sofort!«, schrie ich sie an. Dann wandte ich mich an Nate. »Und wo habt ihr die Drogen versteckt? Und das Geld?«
»Wir sind in Richard Stirlings Villa eingebrochen.«
»Aber der Mann ist Milliardär. Wohnt er nicht in einer Festung mit allen möglichen Sicherheitssystemen?«
»Stimmt, aber für Harvey war das kein Problem. Kinderleicht.« Nate zuckte die Schultern.
Fasziniert fragte ich: »Aber wie …?«
»Zuerst haben wir das Alarmsystem ausgeschaltet«, sagte Suki. »Das hab ich gemacht. Die waren ja auch ganz schön blöd. Ich meine, sämtliche Wärter kannten den Sicherheitscode, obwohl doch alle wissen, dass sie es bei uns auch mit Gedankenlesern zu tun haben! So viel Blödheit muss einfach bestraft werden!«
Damit hatte sie wohl Recht. »Und dann?«
»Dann haben wir die Drogen und das Geld in Stirlings Safe gelegt. Den hat Harvey auch geknackt.«
»Genial, der Junge«, ergänzte Nate voller Bewunderung.
»Na ja, so genial kann er nicht sein, sonst hätten sie ihn damals nicht erwischt«, wandte ich ein.
»Jeder hat mal einen schlechten Tag. Und Harvey hatte zu viel getrunken und fiel in einer Bar vom Hocker.« Suki kicherte.
»Okay. Dann kam er ins Gefängnis. Und wie kam er wieder raus?«
»Demos hat ihn herausgeholt.«
»Was? Wie denn?«, fragte ich erstaunt.
»Spazierte einfach hinein, holte ihn aus der Zelle und spazierte wieder hinaus.« Wieder glänzten Nates Augen vor Bewunderung.
»Aber … warum?«
»Das war schon vor ein paar Jahren. Als sie Thomas befreien wollten – bevor sie dachten, dass Thomas gestorben sei. Demos und Harvey kannten sich von früher.«
Es dauerte ein paar Sekunden, bevor ich das begriffen hatte. »Wie bitte? Haben sie etwa zusammen Banken über…«
»Keine Ahnung«, sagte Suki unbekümmert. »Demos war früher kein Engel.«
Das verschlug mir erst einmal die Sprache. »Kein Wunder, dass dein Vater nicht wollte, dass du was mit ihm zu tun hast«, sagte ich schließlich zu Nate.
»Und kein
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