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Kein Biss unter dieser Nummer

Kein Biss unter dieser Nummer

Titel: Kein Biss unter dieser Nummer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Janice Davidson
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»Nö.«
    »Du bist nur …«
    »… ein Mann, der das nicht versteht, ich weiß. Aber was ist mit Schuhdesignern?«
    »Ich hab ja nie behauptet, dass
kein
Mann es je versteht, sondern nur
ein
Mann. Ein mit mir befreundeter Mann.« Ich lächelte, um die Stichelei abzuschwächen. Mir gefiel es nicht besonders, von anderen von oben herab behandelt zu werden, nicht einmal von Freunden. Ich sollte mich mehr bemühen, anderen nicht das anzutun, worüber ich genervt wäre, wenn man es mir antäte.
    »Okay, das ist …« Er schüttelte den Kopf, als wollte er eine Stechmücke abwehren, die es auf sein Ohr abgesehen hatte. Ich hatte oft diese Wirkung auf andere Leute und sollte nicht stolz darauf sein. »Na, egal. Als ich von den Schuhdesignern sprach, meinte ich eigentlich, warum machst du das nicht?«
    Warum hat mein Ich aus der anderen Realität jemals geglaubt, es bräuchte vier Paar lila Samt-Clogs?, überlegte ich. »Warum mache ich was nicht?«, fragte ich laut. Samt ist entflammbar, oder?, grübelte ich weiter. »Sinn in diesen Wahnsinn bringen?«
    »Nein. Selbst Schuhe designen.«
    Ich starrte ihn an.
    »Alles okay?«
    Ich glotzte ihn weiter an.
    »Geht’s dir gut?« Er beugte sich vor und wedelte mit der Hand vor meinem Gesicht herum. »Ist noch jemand zu Hause? Haaaaaalllooooo?«
    Ich schlug seine Hand zur Seite. »Hör auf damit! Und ich bin nicht so wie sie. Ich bin kein künstlerisches Genie, dessen kreative Schöpfungen der ganzen Menschheit dienen würden.«
    »Okay, äh, zunächst einmal glaube ich, dass du Schuhdesigner auf ein zu hohes Podest stellst.«
    »Nein. Sie sind Künstler, einige der größten in der Geschichte der Menschheit.«
    »Ich sag’s ja. Und zweitens: Warum versuchst du es nicht einfach mal? Ich kenne niemanden, der besser über diese Sachen Bescheid weiß als du. Scheiße, du hast den Lebenslauf dieses Mannes, den du unabsichtlich ausgelöscht hast, nur so heruntergerasselt. Wie war noch gleich sein Name?«
    »Christian Louboutin.« Ich konnte meine Gesichtsmuskeln, Lippen und Zunge kaum dazu bewegen, die magischen Silben zu formen. Weg, alles weg, sein ganzes herrliches Werk war weg und schlimmer noch als weg: Es hatte niemals existiert. Würde niemals existieren. Wegen mir dummer, dummer Nuss.
    »Genau, den meine ich. Hast du schon mal überlegt, in seine Fußstapfen zu treten? Sozusagen.«
    »Niemals«, antwortete ich entsetzt. »Nicht ein einziges Mal. Das könnte ich gar nicht, allein der Versuch wäre grauenhaft. Es wäre so, als wollte man sich mit fremden Federn schmücken.«
    »Oder ein Tribut an sein Werk! Wie die Coverbands von Nirvana.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein.« Aus verschiedenen Gründen. Nirvana, puh. »Meine Rolle besteht darin, die Schuhe zu kaufen und zu tragen. Nicht, sie zu machen. Oder dazu beizutragen, sie zu machen. Das ist nichts für jemanden wie mich, oh,
zur Hölle
, nein! Das kann ich nicht.«
    »Okay, vielleicht hast du ja recht.« Er schien über meine vehemente Weigerung erschrocken zu sein. Ich ermahnte mich, meinen Ton etwas runterzuschrauben. Hmmm,
oh,
zur Hölle,
nein

runterschrauben
… Als Nächstes sage ich noch, die Dinge sind »hip«, weil … Überraschung! Wir sind wieder im Jahr 2010. »Aber du hast es nie ausprobiert, richtig?«
    Ich sah ihn nur an. Natürlich hatte ich es nie ausprobiert. Pinguine wollten ja auch keine Physiker werden, Seidenaffen führten keinen Stepptanz auf, und ich versuchte mich nicht als Schuhdesignerin. Die Welt war sowieso schon ein Irrenhaus.
    »Vielleicht solltest du es aber! Es versuchen, meine ich.« Er lehnte sich zurück, seine blauen Augen leuchteten förmlich vor Zuversicht. Ob in seine Überredungskünste oder in meine Designkünste konnte ich nicht sagen. Auf seinen Wangen bildeten sich Grübchen – hatte der andere Nick auch Grübchen gehabt? –, und er vibrierte förmlich vor lauter Du-schaffst-das-Energie. »Denk einfach mal drüber nach, okay? Ich wette, du könntest es. Du weißt genau, was du magst und was nicht. Du weißt, welcher Stil dir gefällt und welche Farben und Materialien.«
    »Ich weiß auch, welche Automarke mir gefällt, doch ich habe trotzdem nicht vor, bei Ford reinzuschneien, um dort meine Bewerbungsunterlagen abzugeben.«
    »Na schön.« Er beugte sich vor und stützte die Unterarme auf die Knie. »Deswegen bin ich eigentlich auch gar nicht zu dir gekommen.«
    »Spinner.« Ich machte mich wieder ans Sortieren. »Also, was ist los, Nicht-länger-Nick?«
    Er stöhnte.

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