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Kein Biss unter dieser Nummer

Kein Biss unter dieser Nummer

Titel: Kein Biss unter dieser Nummer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Janice Davidson
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drüben sieht schön knusprig aus … packen Sie ihn mir bitte ein! Und etwas Kartoffelsalat dazu.«)
    Ich wandte den Blick von meinem Bruder, der glücklich auf meiner Hüfte saß und uns beide anlachte, zu meiner Mom, die immer noch in der Tür stand. »Es tut mir leid, dass du verärgert bist, aber es ist doch nur ein Truthahn. Jessica und ich sind eben anders aufgewachsen als du, und das soll gewiss kein Urteil sein. Ich denke, du hast viele Schwierigkeiten überwunden, angefangen von deinem Vater bis hin zu meinem. Doch nicht alles, was dich stört, stört zwangsläufig auch mich, und in dieser Sache bin ich schon seit einigen Jahren anderer Ansicht.«
    »Betsy …«
    Ich erhob die Stimme.
Bitte sorge dafür, dass die anderen Menschen in der Villa nichts mitbekommen und die Vampire sich nicht trauen, sich einzumischen, und dass Laura sich zum ersten Mal in ihrem Leben verspätet!
, flehte ich stumm zu wem auch immer
.
»Ich wollte nicht, dass du mich wegen dieser Truthahnsache für so schrecklich unsensibel hältst, wie es offenbar der Fall ist. Aber ich denke, wir könnten uns darauf einigen, dass wir uns in dieser Sache nicht einig sind. Ehrlich gesagt, haben wir beim Kauf dieses dämlichen Vogels keinen Gedanken an dich verschwendet.« Moment mal. Eine solche Bemerkung entsprach wohl genau der Definition von unsensibel, oder?
    Die Sache mit meiner Mom ist die: Sie ist auf einer Farm aufgewachsen, die in einem guten Jahr nur einmal von einem Tornado zerstört wurde oder nur einmal die Ernte durch anhaltende Trockenheit verlor. Außerhalb von Martha-Stewart-Magazinen bedeutete das Leben auf einer Farm harte, anstrengende Arbeit. Auch unablässige Arbeit, denn die Felder und Tiere brauchten ständige Hege und Pflege. Das Getreide stimmt sein Wachstum eben nicht auf deine Oster- oder Thanksgiving-Pläne ab, und den Tieren ist es scheißegal, ob du Geburtstag oder einen Kater von einer durchzechten Nacht hast. Man bekommt auch keinen bezahlten Urlaub und Ausgleich für Überstunden, wenn es mal wieder länger dauert. Geregelte Arbeitszeiten gibt es auf einer Farm nicht und hat es nie gegeben.
    Ganz zu schweigen von Moms Vater, der sie ihre ganze Kindheit über hat spüren lassen, dass er sauer war, weil seine Frau ihm keinen Sohn geschenkt hat. Das war in vielerlei Hinsicht so dumm, dass mir selbst Jahrzehnte später beim Gedanken daran immer noch speiübel wird.
    Als Teenager hatte ich Grandpa mal eine Standpauke gehalten (»Hey, du Schwachkopf, der Mann bestimmt das Geschlecht des Babys! Also warum sparst du dir deine Kommentare nicht einfach, bevor sich die Frauen erheben und dir deinen dummen Hintern versohlen?«). Das kam bei ihm nicht so gut an (»Halt die Klappe oder ich hole wieder das Gewehr raus!«). Und wenn Grandpa sich (mit dem Biologieverstand eines Siebtklässlers) nicht gerade über seinen Mangel an Söhnen beklagte, erklärte er der zukünftigen Dr. Elise Taylor, Professorin des Jahres, ausgezeichnet mit dem John Tate Award und dem Morse Alumni Award, dass das College für ein Mädchen nur vergeudete Zeit sei und sie bloß die Klappe halten und der Armee beitreten solle.
    Nach dem Schnelldurchlauf durch die »Disco stirbt nie«-Siebziger und die Schulterpolsterjacken-für-Männer-
und
-Frauen-Achtziger stellte Mom zu ihrer Verwunderung fest, dass es plötzlich trendy war, sein Obst auf Plantagen selbst zu pflücken.
    »Sie bezahlen«, hatte sie mir damals völlig verblüfft erzählt, während sie auf fröhliche Yuppies blickte, die unter einer brütenden Julisonne schufteten und für Bilder posierten, die sie beim Schuften zeigten. »Sie
bezahlen
für das Privileg, diese Knochenbrecherarbeit verrichten zu dürfen. Als wäre es nicht lächerlich genug, für eine Fahrt auf einem Wagen voller Stroh zu bezahlen, bei der man hinter einem dampfenden Pferdehintern sitzt und sich einen Haufen Holzsplitter einfängt.«
    Sie hatte angenommen, es sei nur eine Phase, die diesen Idioten im Augenblick schick vorkommen mochte, aber im Laufe der Zeit als peinliche Zeit- und Geldverschwendung gelten würde, so wie Jogginganzüge aus Samt und goldene Grills.
    Es war jedoch nicht nur eine Phase.
    Meine Mom begegnete den Plantagen für Selbstpflücker, den Kürbisfeldern und den Fälle-deinen-eigenen-Weihnachtsbaum-Wäldern mit reichlich Unverständnis (bei Minustemperaturen durch schneebedeckte Wälder zu stapfen, um einen Baum zu fällen und ihn zurück zum Auto zu schleifen, ist anstrengend und

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