Kein Durcheinander
Freilich durfte sie, da J. T. Maston dort die Hand mit im Spiele hatte, im Voraus überzeugt sein, daß es sich nur um ein großes, erhabenes, mehr übermenschliches Unternehmen handeln konnte. Die Vergangenheit des Schriftführers im Gun-Club war ihr eine Gutsage für die Zukunft.
Man urtheile nun selbst, ob sie, nach der Versteigerung und der Bekanntgabe der Mandanten darüber unterrichtet, daß die Leitung der neuen Gesellschaft dem Vorsitzenden des Gun-Club unter der eingetragenen Firma »Barbicane & Cie.« zufallen werde, ihr Vertrauen gerechtfertigt sah oder nicht. Mußte sie sich nicht von dem Augenblicke an, wo J. T. Maston ein Theil dieser »& Cie.« war, vielmehr Glück wünschen, eine der stärksten Actionärinnen der Firma zu sein?
So sah Mrs. Evangelina Scorbitt sich denn als Eigenthümerin eines großen Theiles der arktischen, vom vierundachtzigsten Breitengrade begrenzten Gebiete Sehr schön! Doch was sollte sie damit anfangen? Oder wie wollte vielmehr die Gesellschaft aus diesen unzugänglichen liegenden Gründen einen Nutzen ziehen?
Die vortreffliche Frau hatte – natürlich mit aller Discretion – J. T. Maston auch hierüber auszuforschen versucht, ehe sie den Gründern dieser Unternehmung ihre Capitalien zur Verfügung stellte. J. T. Maston freilich verhielt sich dagegen möglichst zugeknöpft. Mrs. Evangelina Scorbitt sollte sofort erfahren, um was es sich handelte, aber doch nicht eher als bis die Stunde gekommen war, den ganzen Erdball durch das Unterfangen der neuen Gesellschaft in Erstaunen zu setzen….
Ohne Zweifel wurde in seinem Gehirn ein Werk geboren, das, wie Jean Jacques (Rousseau) sagt, »niemals seines Gleichen hatte und niemals Nachahmer finden wird,« ein Werk, bestimmt, selbst den Versuch der Mitglieder des Gun-Club, mit dem Satelliten der Erde in unmittelbare Verbindung zu treten, weit in den Schatten zu stellen.
Drang sie weiter in ihn, so begnügte sich J. T. Maston, den rechtseitigen Armhaken an die halbgeschlossenen Lippen legend, zu bitten:
»Haben Sie nur Vertrauen, liebe Mistreß Scorbitt!«
Und wenn Mrs. Evangelina Scorbitt schon »vorher« Vertrauen hatte, welch’ übergroße Freude empfand sie erst »nachher«, als der pflichteifrige Schriftführer ihrer Beihilfe den Triumph der Vereinigten Staaten und die Niederlage des nördlichen Europa zuschrieb!
»Doch kann ich nun nicht endlich Aufklärung erhalten? fragte sie, den ausgezeichneten Rechner anlächelnd.
– Sie werden bald Alles erfahren,« antwortete J. T. Maston, der energisch, nach amerikanischer Weise, die Hand der Verbündeten schüttelte.
Dieses Schütteln hatte die unmittelbare Wirkung, die Ungeduld der Mrs. Evangelina Scorbitt zu zügeln.
Wenige Tage später wurden die Alte und Neue Welt nicht wenig erschüttert – abgesehen von einer derselben später bevorstehenden Erschütterung – als man das rein unsinnige Project kennen lernte, zu dessen Durchführung die »
North Polar Practical Association
« eine öffentliche Subscription auflegte.
Als die Gesellschaft nämlich die den Nordpol umlagernden Gebiete erwarb, geschah es in der Absicht – dort vermuthete Steinkohlenflötze auszubeuten.
Fußnoten
1 Siehe desselben Verfassers »Reise nach dem Mond« und »Reise um den Mond«.
Fünftes Capitel.
Konnte man wohl annehmen, daß sich in der Nähe des Nordpols Steinkohlenschichten vorfanden?
So lautete natürlich die erste Frage, die sich allen, mit einiger Logik begabten Leuten aufdrängte.
»Warum sollte es Kohlenflötze in der Umgebung des Pols geben? sagten die Einen.
– Und warum sollte es keine geben?« erwiderten die Anderen.
Bekanntlich finden sich kohleführende Schichten an verschiedenen Stellen des Erdballs verstreut. In mehreren Gegenden Europas trifft man solche fast im Ueberfluß; auch Nord-und Südamerika zeigen reichliche Schätze, und gerade die Vereinigten Staaten besitzen dieselben in größter Ausdehnung; doch fehlen solche in Afrika, Asien und Oceanien ebenfalls nicht.
Mit der fortschreitenden Erkenntniß der Gebiete unserer Erde entdeckt man solche Lagerstätten in allen geologischen Schichten, den Anthracit im urältesten Gefüge, die Steinkohle in den oberen kohleführenden Schichten, die Braunkohle in der secundären, und die Schwelkohle mit noch erkennbarer Holzstructur in der tertiären Formation. An mineralischen Brennstoffen kann also höchstens nach einem, sich auf Jahrhunderte beziffernden Zeitraum Mangel eintreten.
Und doch beträgt die
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