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Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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war der Trick bei der Sache. Um vom Richter den Durchsuchungsbefehl zu bekommen, mussten sie alle Karten auf den Tisch legen. Aber von Delacroix wollten sie sich nicht in die Karten schauen lassen. Zumindest noch nicht. Delacroix hatte zwar das Recht, den Durchsuchungsbefehl zu lesen und zu prüfen, bevor er den Detectives Zutritt gewährte, aber Bosch hoffte, in den Wohnwagen zu kommen, ohne dass es dazu kam. Delacroix würde die Fakten des Falls früh genug erfahren, aber Bosch wollte selbst darüber bestimmen, wann er seine Informationen herausrückte, um anhand der Reaktionen des Verdächtigen erste Aufschlüsse zu gewinnen.
    Bosch machte sich daran, das Dokument in die Innentasche seines Jacketts zurückzustecken.
    »Worum geht es überhaupt?«, protestierte Delacroix zaghaft. »Kann ich den Wisch da wenigstens mal sehen?«
    »Sind Sie Samuel Delacroix?«, entgegnete Bosch rasch.
    »Ja.«
    »Das ist doch Ihr Wohnwagen, oder, Sir?«
    »Das ist mein Wohnwagen. Ich habe den Stellplatz gepachtet. Ich würde gern lesen, was da …«
    »Mr. Delacroix«, sagte Edgar. »Wir würden das lieber nicht hier draußen diskutieren, wo uns Ihre Nachbarn sehen können. Und Sie möchten das doch sicher auch nicht. Werden Sie uns erlauben, dem Durchsuchungsbefehl ordnungsgemäß nachzukommen, oder nicht?«
    Delacroix blickte von Bosch zu Edgar und dann wieder zurück zu Bosch. Er nickte.
    »Da wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben.«
    Bosch war als Erster auf der Eingangstreppe. Als er sich an Delacroix, der in der Öffnung stand, vorbeidrängte, drang ihm der Geruch von Bourbon, schlechtem Atem und Katzenurin entgegen.
    »Sie fangen aber schon früh an, Mr. Delacroix.«
    »Ja, ich habe mir schon einen genehmigt«, sagte Delacroix mit einer Mischung aus Gleichgültigkeit und Selbstekel. »Ich bin mit der Arbeit fertig. Ich darf das.«
    Als Edgar sich an Delacroix vorbeizwängte, ging es viel enger zu. So gut es in dem schwachen Licht möglich war, sahen er und Bosch sich im Innern des Wohnwagens um. Rechts vom Eingang befand sich das Wohnzimmer. Es war holzvertäfelt und mit einem grünen Kunstledersofa und einem Couchtisch eingerichtet, dessen Furnier zum Teil abgeschabt war, sodass darunter die Spanplatte zum Vorschein kam. Es gab einen dazu passenden Lampentisch ohne Lampe und eine Fernsehbank mit einem auf einem Videorecorder balancierenden Fernseher. Auf dem Fernseher türmten sich mehrere Videokassetten. Gegenüber dem Couchtisch stand ein alter Ohrensessel, dessen seitliche Kopfstützen – wahrscheinlich von einer Katze – aufgerissen waren, sodass die Füllung herausquoll. Unter dem Couchtisch lag ein Stapel Zeitungen, hauptsächlich Boulevardblätter mit schreienden Schlagzeilen.
    Links war eine kombüsenähnliche Küche mit Spüle, Schränken, Herd und Kühlschrank auf der einen Seite und einer Essnische für vier Personen auf der anderen. Auf dem Tisch stand eine Flasche Ancient Age. Auf dem Boden unter dem Tisch waren ein Teller mit Resten von Katzenfutter und ein alter Margarinebecher halb voll mit Wasser. Bis auf den Uringeruch fehlte von der Katze jede Spur.
    Hinter der Küche führte ein schmaler Gang zu einem oder zwei Schlafzimmern und einem Bad.
    »Wir lassen am besten die Tür auf und öffnen ein paar Fenster«, sagte Bosch. »Nehmen Sie doch auf der Couch Platz, Mr. Delacroix.«
    Delacroix ging zur Couch. »Sie brauchen den Wohnwagen nicht zu durchsuchen. Ich weiß, warum Sie hier sind.«
    Bosch sah Edgar an und dann Delacroix.
    »Tatsächlich?«, sagte Edgar. »Warum sind wir hier?«
    Delacroix ließ sich auf die Couch plumpsen. Die Federn waren gebrochen. Er versank im Mittelteil, und die Polster auf den Seiten stiegen in die Höhe wie die Buge zweier untergehender Titanics.
    »Wegen des Benzins«, sagte Delacroix. »Dabei habe ich kaum was verbraucht. Ich fahre sowieso nur von hier zur Range und wieder zurück. Wegen Alkohol am Steuer habe ich nur eine eingeschränkte Fahrerlaubnis.«
    »Wegen des Benzins?«, fragte Edgar. »Was –«
    »Mr. Delacroix, wir sind nicht hier, weil Sie Benzin gestohlen haben«, sagte Bosch.
    Er nahm eine der Videokassetten von dem Stapel auf dem Fernseher. Auf dem Rücken war ein beschrifteter Aufkleber. First Infantry, Folge 46. Er legte sie zurück und studierte die Aufkleber einiger anderer Kassetten. Es waren alles Folgen der Fernsehserie, in der Delacroix vor mehr als dreißig Jahren mitgewirkt hatte.
    »Darum geht es uns eigentlich nicht«, fügte er hinzu, ohne

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