Kein Engel so rein
Delacroix anzusehen.
»Worum geht es Ihnen dann? Was wollen Sie?«
Jetzt sah ihn Bosch an.
»Wir sind wegen Ihres Sohnes hier.«
Als Delacroix ihn darauf ansah, ging langsam sein Mund auf, sodass seine vergilbten Zähne zum Vorschein kamen.
»Arthur«, sagte er schließlich.
»Ja. Wir haben ihn gefunden.«
Delacroix senkte den Blick, und es schien, als wanderte er aus dem Wohnwagen und richtete sich auf eine weit zurückliegende Erinnerung. Es war etwas Wissendes in seinem Blick. Bosch sah es. Sein Instinkt sagte ihm, dass Delacroix bereits wusste, was sie ihm als Nächstes sagen würden. Er blickte zu Edgar hinüber, um sich zu vergewissern, ob auch er es gesehen hatte. Edgar antwortete mit einem knappen Nicken.
Bosch sah wieder den Mann auf der Couch an.
»Für einen Vater, der seinen Sohn über zwanzig Jahre lang nicht mehr gesehen hat, wirken Sie nicht sonderlich neugierig«, sagte er.
Delacroix sah ihn an.
»Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich weiß, dass er tot ist.«
Bosch hielt den Atem an, als er ihn forschend ansah.
»Warum sagen Sie das? Wie kommen Sie darauf?«
»Weil ich es weiß. Schon die ganze Zeit gewusst habe.«
»Was haben Sie gewusst?«
»Dass er nicht zurückkommen würde.«
Das lief nicht nach einem der Szenarien ab, die Bosch sich vorgestellt hatte. Es kam ihm so vor, als hätte Delacroix, möglicherweise schon seit Jahren, auf sie gewartet. Ihm wurde klar, dass sie unter Umständen ihre Strategie ändern und Delacroix verhaften und auf seine Rechte hinweisen müssten.
»Bin ich verhaftet?«, fragte Delacroix, als hätte er sich an Boschs Gedanken angedockt.
Bosch, der wieder zu Edgar hinübersah, fragte sich, ob sein Partner mitbekommen hatte, dass aus ihrem Plan nichts werden würde.
»Wir dachten, wir sollten uns vielleicht erst ein bisschen unterhalten. Ganz zwanglos, wissen Sie.«
»Genauso gut können Sie mich auch verhaften«, sagte Delacroix ruhig.
»Finden Sie? Heißt das, dass Sie nicht mit uns sprechen wollen?«
Delacroix schüttelte langsam den Kopf und bekam wieder diesen abwesenden Blick.
»Nein, ich werde mit Ihnen reden«, sagte er. »Ich werde Ihnen alles erzählen.«
»Worüber?«
»Wie es dazu kam.«
»Wie es wozu kam?«
»Das mit meinem Sohn.«
»Sie wissen, wie es passiert ist?«
»Natürlich weiß ich es. Ich war es.«
Fast hätte Bosch laut losgeflucht. Ihr Verdächtiger hatte gerade gestanden, bevor sie ihn auf seine Rechte aufmerksam gemacht hatten, darunter auch auf das Recht, keine Aussagen machen zu müssen, mit denen er sich selbst belastete.
»Mr. Delacroix, an dieser Stelle müssen wir erst mal unterbrechen. Ich werde Sie jetzt auf Ihre Rechte aufmerksam machen.«
»Ich will doch nur …«
»Nein, bitte, Sir, sagen Sie nichts mehr. Noch nicht. Bringen wir erst die Sache mit Ihren Rechten hinter uns, aber dann hören wir uns gern alles an, was Sie uns zu sagen haben.«
Delacroix machte eine Handbewegung, als wäre ihm das egal, als wäre ihm alles egal.
»Jerry, wo ist dein Tonbandgerät? Ich habe meins noch immer nicht von der Dienstaufsicht zurückgekriegt.«
»Äh, im Wagen. Ich weiß aber nicht, wie es mit den Batterien aussieht.«
»Geh mal nachsehen.«
Edgar verließ den Wohnwagen, und Bosch wartete schweigend. Delacroix stützte die Ellbogen auf die Knie und das Gesicht in die Hände. Bosch studierte seine Haltung. Es kam nicht oft vor, aber es war nicht das erste Mal, dass ein Verdächtiger schon bei der ersten Begegnung ein Geständnis ablegte.
Edgar kam mit einem Tonbandgerät zurück, aber er schüttelte den Kopf.
»Die Batterien sind leer. Ich dachte, du hättest deins dabei.«
»Scheiße. Dann schreib mit.«
Bosch nahm sein Dienstmarkenetui heraus und zog eine seiner Visitenkarten heraus. Auf die Rückseite hatte er sich den Hinweis auf die Miranda Rechte mit etwas Platz für eine Unterschrift drucken lassen. Er las Delacroix seine Rechte vor und fragte ihn, ob er alles verstanden hätte. Delacroix nickte.
»Ist das ein Ja?«
»Ja, das ist ein Ja.«
»Dann unterschreiben Sie bitte auf der freien Zeile unter dem, was ich Ihnen gerade vorgelesen habe.«
Er gab Delacroix die Visitenkarte und einen Stift. Sobald sie unterschrieben war, steckte Bosch die Visitenkarte in sein Dienstmarkenetui zurück. Er setzte sich auf die Kante des Lehnsessels.
»So, Mr. Delacroix. Möchten Sie wiederholen, was Sie vor ein paar Minuten gesagt haben?«
Delacroix zuckte mit den Schultern, als wäre das kein
Weitere Kostenlose Bücher