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Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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entscheidender Bedeutung. Sie würden den Wohnwagen durchsuchen und dann eine – hauptsächlich in Partnercode abgesprochene – Entscheidung treffen müssen, ob sie Delacroix wegen der Ermordung seines Sohnes verhaften sollten. Im weiteren Verlauf dieses Verfahrens müssten sie dann das Beweismaterial finden oder dem Verdächtigen das Geständnis entlocken, das ihre hauptsächlich auf Theorien fußende Beweisführung gegen alle juristischen Anfechtungen gefeit machte.
    Wie Bosch die Sache sah, steuerten sie gerade auf den Augenblick der Wahrheit zu, und das machte ihn immer nervös.
    Zuvor, bei der Besprechung mit Lt. Billets, hatten sie sich darauf geeinigt, dass es an der Zeit wäre, mit Sam Delacroix zu sprechen. Er war der Vater des Opfers, er war der Hauptverdächtige. Das Wenige, was sie an Beweisen hatten, belastete weiterhin ihn. Deshalb hatten sie unmittelbar nach Beendigung der Besprechung einen Durchsuchungsbefehl für Delacroix’ Wohnwagen getippt und waren damit zum Strafgerichtsgebäude in Downtown gefahren, um ihn dort einem Richter vorzulegen, der sich normalerweise leicht herumkriegen ließ.
    Aber selbst bei diesem Richter bedurfte es einiger Überredungskünste. Das Problem war, dass der Fall alt, das Beweismaterial, das den direkten Zusammenhang zum Verdächtigen herstellte, dünn, und der Ort, den Bosch und Edgar durchsuchen wollten, nicht da war, wo der Mord passiert sein konnte, und außerdem war er zum Tatzeitpunkt nicht einmal vom Verdächtigen bewohnt worden.
    Was für die Detectives sprach, war die emotionale Wirkung, die von den im Durchsuchungsbefehl aufgeführten Verletzungen ausging, die der Junge dem Zustand seiner Knochen zufolge in seinem kurzen Leben zugefügt bekommen hatte. Schließlich waren es die vielen Frakturen, die den Richter dazu bewogen, den Durchsuchungsbefehl zu unterzeichnen.
    Danach waren sie zunächst zur Driving Range gefahren, wo man ihnen jedoch mitteilte, Delacroix habe bereits Feierabend gemacht.
    »Gib ihm noch eine Dosis«, sagte Bosch vor dem Wohnwagen zu Edgar.
    »Ich glaube, ich höre ihn schon kommen.«
    »Das macht nichts. Er soll es ruhig ein bisschen mit der Angst zu tun kriegen.«
    Edgar stieg wieder die Treppe hinauf und drosch gegen die Tür. Die Betonsteine wackelten, und er setzte die Füße nicht richtig fest auf. Entsprechend vermittelte dieses Klopfen nicht dasselbe Maß an Gewalt und Schrecken wie die ersten beiden Attacken gegen die Tür.
    Edgar stieg wieder von der Treppe.
    »Das war nicht die Polizei«, flüsterte Bosch. »Das war ein Nachbar, der sich über den Hund beschwert oder irgendwas in der Art.«
    »Entschuldige, ich –«
    Die Tür ging auf, und Edgar verstummte. Bosch schaltete auf höchste Alarmbereitschaft. Wohnwagen waren tückisch. Anders als bei den meisten Gebäuden gingen ihre Türen nach außen auf, damit man bei der Einrichtung den Türraum nicht verlor. Bosch hatte sich auf der blinden Seite der Tür postiert, sodass die Person, die sie öffnete, auf Edgar blickte und Bosch nicht sehen konnte. Das Problem war allerdings, dass umgekehrt Bosch nicht sehen konnte, wer die Tür öffnete. Wenn es also Ärger gab, war es Edgars Aufgabe, Bosch zu warnen und in Deckung zu gehen. Bosch würde dann ohne Zögern sein Magazin in die Wohnwagentür leeren, und die Kugeln würden das Aluminium und die Person dahinter durchschlagen, als wären sie aus Papier.
    »Was ist?«, sagte eine Männerstimme.
    Edgar zückte seine Dienstmarke. Bosch hielt in Mimik und Körpersprache seines Partners nach Anzeichen Ausschau, dass es Ärger geben könnte.
    »Polizei, Mr. Delacroix.«
    Da er kein Warnsignal entdecken konnte, trat Bosch vor, packte den Türgriff und zog die Tür ganz auf. Die andere Hand behielt er unter dem zurückgeschlagenen Jackett am Griff seiner Waffe.
    Vor ihm stand der Mann, den er am Tag zuvor auf dem Golfplatz gesehen hatte. Er trug alte karierte Shorts und ein verwaschenes braunes T-Shirt mit Flecken unter den Armen.
    »Wir haben einen Durchsuchungsbefehl, der uns ermächtigt, diesen Wohnwagen zu durchsuchen«, sagte Bosch. »Dürfen wir reinkommen?«
    »Ihr«, sagte Delacroix. »Ihr beide wart gestern auf der Driving Range.«
    »Sir«, sagte Bosch mit Nachdruck, »ich habe gesagt, wir haben einen Durchsuchungsbefehl für diesen Wohnwagen. Können wir reinkommen und die Durchsuchung vornehmen?«
    Bosch holte den zusammengefalteten Durchsuchungsbefehl aus der Tasche und hielt ihn außerhalb Delacroix’ Reichweite hoch. Das

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