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Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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hinab.
    »Wegen des Jobs, schätze ich … Nichts Großartiges, nichts Heroisches. Nur die Chance, in einer beschissenen Welt hin und wieder was geradezubiegen.«
    Er zeichnete mit dem Daumen Muster in das beschlagene Glas und sprach weiter, ohne den Blick davon abzuwenden.
    »Dieser Fall zum Beispiel …«
    »Was ist damit?«
    »Wenn es uns gelingt, die einzelnen Teile richtig zusammenzusetzen und ihn zu lösen … vielleicht können wir dann ein bisschen was von dem gutmachen, was diesem Jungen passiert ist. Ich weiß nicht, ich glaube, es könnte der Welt etwas, ein ganz kleines bisschen, bedeuten.«
    Er dachte an den Schädel, den Golliher ihm diesen Morgen gezeigt hatte. Ein Mordopfer, das 9000 Jahre im Teer begraben lag. Eine Stadt der Knochen, und alle warten darauf, aus dem Boden hochzukommen. Wozu? Vielleicht ist es längst allen egal.
    »Ich weiß nicht«, sagte er. »Vielleicht ist es auf lange Sicht völlig unerheblich. Selbstmordattentäter attackieren New York und dreitausend Menschen sind tot, bevor sie ihre erste Tasse Kaffee zu Ende getrunken haben. Was zählen da schon ein paar Knochen, die vor Jahren in der Erde verscharrt wurden?«
    Sie lächelte sanft und schüttelte den Kopf.
    »Komm mir bloß nicht auf die existentialistische Tour, Harry. Das Einzige, was zählt, ist, dass es dir etwas bedeutet. Und wenn es dir etwas bedeutet, ist es wichtig, dass du tust, was in deiner Macht steht. Egal, was auf der Welt passiert, wir werden immer Helden brauchen. Ich hoffe, eines Tages die Chance zu bekommen, einer zu werden.«
    »Schon möglich.«
    Er nickte und wich ihrem Blick aus. Er spielte weiter an seinem Glas herum.
    »Kannst du dich noch an diesen Werbespot im Fernsehen erinnern, wo diese alte Frau auf dem Boden liegt und sagt: ›Ich bin hingefallen und kann nicht mehr aufstehen‹, und alle haben Witze darüber gemacht?«
    »Ja, ich kann mich erinnern. Am Venice Beach verkaufen sie T-Shirts, wo das draufsteht.«
    »Tja … also, manchmal komme ich mir so vor. Damit meine ich, fünfundzwanzig plus. Man kommt nicht so weit, ohne ab und zu Scheiße zu bauen. Man fällt hin, Julia, und manchmal hat man das Gefühl, man kann nicht mehr aufstehen.«
    Er nickte sich selbst zu.
    »Aber dann hat man Glück und kriegt einen Fall, bei dem man sich sagt, das ist es. Man spürt es einfach. Das ist der Fall, der mir wieder auf die Beine hilft.«
    »So was nennt man Erlösung, Harry. Wie heißt es in diesem Song? › Everybody wants a shot at it. ‹ Jeder möchte eine Gelegenheit dazu.«
    »Etwas in der Richtung, ja.«
    »Und vielleicht ist dieser Fall deine Gelegenheit?«
    »Ja, das glaube ich. Das hoffe ich.«
    »Dann also: Auf die Erlösung.«
    Sie hob ihr Glas.
    »Halt fest«, sagte er.
    Sie stieß gegen seines. Etwas von ihrem Bier schwappte in sein fast leeres Glas.
    »Entschuldigung. Das muss ich erst noch üben.«
    »Schon gut. Ich brauchte sowieso noch etwas Bier.«
    Er hob sein Glas und leerte es. Dann stellte er es auf den Tisch zurück und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, »Kommst du dann heute mit zu mir?«, fragte er.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Nein, ich komme nicht mit zu dir.«
    Er runzelte die Stirn und begann sich schon zu fragen, ob ihr seine Frage zu direkt gewesen war.
    »Ich folge dir nach Hause«, sagte sie. »Hast du schon wieder vergessen? Ich darf mein Auto nicht auf dem Parkplatz stehen lassen. Von jetzt an heißt es: alles streng geheim, husch-husch, dass keiner was mitbekommt.«
    Er lächelte. Das Bier und ihr Lächeln wirkten Wunder bei ihm.
    »Da hast du mich erwischt.«
    »Ich hoffe, in mehr als einer Hinsicht.«

29
    Bosch kam spät zu dem Treffen in Lt. Billets Büro. Außer Medina von der Pressestelle war auch Edgar schon da, was Seltenheitswert hatte. Billets wies ihm mit dem Bleistift, den sie in der Hand hielt, einen Platz zu, dann griff sie nach dem Telefon und wählte eine Nummer.
    »Hier Lieutenant Billets«, meldete sie sich, als am anderen Ende der Leitung abgehoben wurde. »Sie können Chief Irving sagen, wir sind jetzt vollzählig und können anfangen.«
    Bosch sah Edgar an und zog die Augenbrauen hoch. Der Deputy Chief blieb weiter direkt in die Ermittlungen eingeschaltet.
    Billets legte auf und sagte: »Er ruft zurück, und dann lege ich ihn auf die Lautsprecher.«
    »Zum Zuhören oder zum Anweisungen Erteilen?«, fragte Bosch.
    »Das wird sich zeigen.«
    »Während wir hier warten«, sagte Medina. »Ich habe die ersten Reaktionen auf einen BOLO

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