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Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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sagte er. »Wenn wir es so machen, schneiden wir uns unter Umständen ins eigene Fleisch.«
    »Inwiefern?«
    »Es ist ein alter Fall. Je älter der Fall, desto schwieriger die Aufklärung. Wir dürfen kein Risiko eingehen. Wenn wir nicht an die Öffentlichkeit gehen und sagen, Trent ist unschuldig, spielen wir dem Kerl, den wir irgendwann fassen, eine Möglichkeit zu seiner Verteidigung in die Hände. Er kann dann auf Trent zeigen und sagen, er war ein Kinderschänder, er war es.«
    »Aber das kann er doch in jedem Fall tun – egal, ob wir Trents Unschuld jetzt oder später bekannt geben.«
    Bosch nickte.
    »Das stimmt. Aber ich sehe es mehr in Hinblick auf meine Zeugenaussage vor Gericht. Ich möchte sagen können, wir haben Trent überprüft und rasch festgestellt, dass er es nicht war. Ich möchte mich nicht von einem Anwalt fragen lassen müssen, warum wir, wenn seine Unschuld so rasch erwiesen war, ein oder zwei Wochen gewartet haben, das bekannt zu geben. Chief, es wird so aussehen, als hätten wir etwas zu verbergen. Es ist nur eine sehr feine Nuance, aber sie wird nicht ohne Wirkung bleiben. Geschworene suchen geradezu nach einem Grund, der Polizei generell und dem LAPD speziell misstrauen –«
    »Okay, Detective, ich habe Ihren Standpunkt zur Kenntnis genommen. Trotzdem bleibe ich bei meiner Entscheidung. Es wird zu Trent keine Presseerklärung geben. Nicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt, nicht, bis wir einen vernünftigen Verdächtigen haben, den wir der Öffentlichkeit präsentieren können.«
    Bosch schüttelte den Kopf und sank ein wenig in sich zusammen.
    »Was noch?«, fragte Irving. »In zwei Minuten habe ich eine Besprechung mit dem Polizeichef.«
    Bosch sah Billets an und schüttelte wieder den Kopf. Er hatte nichts mehr, was er herauszurücken bereit war. Billets ergriff das Wort.
    »Chief, das ist, glaube ich, im Moment der Stand der Dinge.«
    »Wann wollen Sie sich den Vater vornehmen, Detectives?«
    Bosch deutete mit dem Kinn auf Edgar.
    »Äh, Chief, hier spricht Detective Edgar. Wir suchen noch nach einem Zeugen, mit dem wir möglichst sprechen sollten, bevor wir uns den Vater vornehmen. Es handelt sich um einen Jugendfreund des Opfers. Wir glauben, er könnte etwas über die Misshandlungen wissen, die dem Opfer zugefügt wurden. Wir haben vor, uns dafür noch einen Tag Zeit zu lassen. Wir glauben, er ist hier in Hollywood, und wir haben eine Menge Leute, die nach ihm Ausschau …«
    »Ja, geht in Ordnung, Detective. Wir werden diese Runde morgen Vormittag wieder einberufen.«
    »Jawohl, Chief«, sagte Billets. »Wieder um halb zehn?«
    Es kam keine Antwort. Irving war bereits nicht mehr dran.

30
    Den Rest des Vormittags verbrachten Bosch und Edgar damit, ihre Berichte und die Mordakte auf den neuesten Stand zu bringen und alle Krankenhäuser der Stadt anzurufen, um die Suche nach den Unterlagen abzublasen, die sie am Montagmorgen per Durchsuchungsbefehl angeordnet hatten. Bis Mittag hatte Bosch allerdings genug von der Büroarbeit und sagte, er müsse raus aus der Polizeistation.
    »Wo willst du hin?«, fragte Edgar.
    »Ich habe es satt, bloß rumzusitzen und zu warten«, sagte Bosch. »Komm, fahren wir los und sehen ihn uns mal an.«
    Sie nahmen Edgars Privatwagen, weil er nicht als Polizeiauto zu erkennen war und im Fuhrpark keine Zivilfahrzeuge mehr erhältlich waren. Sie fuhren auf dem Highway 101 ins Valley hoch und dann auf dem 405er bis zur Ausfahrt Van Nuys nach Norden. Der Manchester Trailer Park lag am Sepulveda Boulevard, nicht weit von der Victory. Sie fuhren einmal daran vorbei, bevor sie umkehrten und in die Wohnwagensiedlung bogen.
    Es gab kein Pförtnerhäuschen, nur eine gelb gestreifte Bodenschwelle. Die Straße führte ihm Kreis um die Siedlung, und Sam Delacroix’ Wohnwagen stand im hinteren Teil an der sechs Meter hohen Schallschutzmauer, die das Gelände vom Freeway abgrenzte. Die Mauer sollte dazu dienen, den ununterbrochenen Verkehrslärm vom Freeway zu dämpfen. Alles, was sie tat, war, ihn umzulenken und seine Tonhöhe zu verändern. Aber zu hören war er noch genauso.
    Der Wohnwagen war ein Single-Wide voller Rostflecken, die von den Nietnähten die Aluminiumverkleidung hinabtropften. Unter seinem Vordach standen ein Klapptisch und ein Holzkohlengrill. Von einem der Stützpfosten des Vordachs war zur Ecke des nächsten Wohnwagens eine Wäscheleine gespannt. Auf der Rückseite des schmalen Stellplatzes quetschte sich ein Aluminiumlagerschuppen von der Größe eines

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