Kein Engel so rein
Fragen zu stellen?«
»Das liegt, glaube ich, daran, dass Sie so wenig Antworten haben«, sagte Edgar.
Sie gingen zur Tür, und sie folgte ihnen in einigen Schritten Abstand. Draußen, unter dem Portikus, blickte sich Bosch nach der Frau um, die in der offenen Tür stand. Sie sahen sich einen Moment in die Augen. Er überlegte, was er sagen könnte. Aber er hatte nichts für sie. Sie schloss die Tür.
28
Kurz vor elf bogen sie auf den Parkplatz der Polizeistation. Sie hatten einen 16-Stunden-Tag hinter sich, der ihnen so gut wie nichts an Beweismaterial eingebracht hatte, womit sie jemanden vor Gericht hätten stellen können. Trotzdem war Bosch zufrieden. Sie hatten die Identifizierung, und das war der Mittelpunkt des Rades. Von da aus würde sich alles Weitere entwickeln.
Edgar wünschte ihm eine gute Nacht und ging direkt zu seinem Auto, ohne vorher das Stationsgebäude zu betreten. Bosch wollte sich noch beim diensthabenden Sergeant erkundigen, ob sich mit Johnny Stokes etwas ergeben hatte und ob neue telefonische Hinweise eingegangen waren. Außerdem würde er, vielleicht bei Dienstschluss Julia Brasher sehen, wenn er bis elf bliebe. Er wollte mit ihr reden.
In der Station war nicht viel los. Die Cops von der Mitternachtsschicht waren oben beim Appell. Auch die Diensthabenden waren oben. Bosch ging den Flur hinunter zum Bereitschaftsraum der Detectives. Die Lichter waren aus. Das verstieß gegen eine Anordnung des Polizeichefs. Der Polizeichef hatte angeordnet, dass sowohl im Parker Center als auch in jeder anderen Polizeistation ständig Licht brennen müsste. Dem lag der Gedanke zugrunde, der Bevölkerung müsste der Eindruck vermittelt werden, dass die Polizei im Kampf gegen das Verbrechen nie schlief. Die Folge war, dass in der ganzen Stadt jede Nacht in leeren Polizeidienststellen hell die Lichter brannten.
Bosch knipste die Lampenreihe über dem Morddezernattisch an und ging zu seinem Platz. Es lagen mehrere rosa Zettel mit telefonischen Nachrichten darauf. Sie waren alle von Journalisten oder betrafen andere anhängige Fälle. Die Anrufe der Reporter warf er in den Abfalleimer, die anderen legte er in die oberste Schublade, um ihnen am nächsten Tag nachzugehen.
Außerdem lagen zwei an ihn adressierte LAPD-Umschläge auf dem Tisch. Der erste enthielt Gollihers Befund. Bosch legte ihn beiseite, um ihn später zu lesen. Der zweite Umschlag war von der Spurensicherung. Bosch fiel ein, dass er vergessen hatte, Antoine Jesper wegen des Skateboards anzurufen.
Gerade als er den Umschlag öffnen wollte, merkte er, dass ein zusammengefalteter Zettel darunter gelegen hatte. Er faltete ihn auseinander und las ihn. Obwohl die kurze Nachricht keine Unterschrift trug, wusste er, sie war von Julia.
Wo steckst du, du harter Bursche?
Er hatte vergessen, dass er ihr gesagt hatte, sie solle im Bereitschaftsraum vorbeischauen, bevor sie ihren Dienst antrat. Er lächelte über die Nachricht, hatte aber auch ein schlechtes Gewissen, weil er es vergessen hatte. Außerdem fiel ihm wieder Edgars Mahnung ein, er solle nur ja vorsichtig sein.
Er faltete den Zettel wieder und legte ihn in seine Schublade. Er fragte sich, wie Julia darauf reagieren würde, worüber er mit ihr sprechen wollte. Er war todmüde, wollte aber nicht bis zum nächsten Tag damit warten.
Der Umschlag von der Spurensicherung enthielt eine einseitige Beweismittelanalyse von Jesper. Bosch überflog den Bericht. Jesper bestätigte darin, dass das Skateboard von der Boneyard Boards Inc., einer Firma in Huntington Beach, hergestellt worden war. Das Modell lief unter der Bezeichnung »Boney Board«, wobei dieses spezielle Board von Februar 1978 bis Juni 1986 hergestellt worden war. Dann hatten Konstruktionsänderungen zu einer leichten Veränderung an der Spitze geführt.
Bevor Bosch jedoch dazu kam, sich über die Übereinstimmung dieser Daten mit dem zeitlichen Rahmen des Falls zu freuen, las er den letzten Abschnitt des Berichts, der diese Übereinstimmung wieder in Frage stellte.
Die Achsen (Radaufhängungen) sind von einer Konstruktionsweise, wie sie Boneyard zum ersten Mal im Mai 1984 auf den Markt gebracht hat. Auch die Graphitrollen deuten auf ein späteres Herstellungsdatum hin. Graphitrollen wurden erst Mitte der 80er Jahre üblich. Da Achsen und Rollen austauschbar sind und von Boardern häufig ausgetauscht und ersetzt werden, ist es unmöglich, das genaue Herstellungsdatum des fraglichen Skateboards zu bestimmen. Solange uns
Weitere Kostenlose Bücher