Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kein Entrinnen

Titel: Kein Entrinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romain Sardou
Vom Netzwerk:
produzieren oder für ein Spitzenhonorar als Berater bei der Produktion von Krimiserien aufzutreten. Die Chefs im Büro schätzen das überhaupt nicht. Ganz nebenbei werden dabei nicht wenige unserer Verfahrensweisen und unserer Überlegungen bei einem Verbrechen publik. Zum Glück haben manche Agenten mehr Skrupel; sie verfassen zwar ihre Texte, beschränken den Zugang dazu jedoch ausschließlich auf Agenten und FBI-Anfänger. Dieses QFL mit ISBN kann so etwas sein.«
    »Dann müssen Sie mir helfen, dieses Werk zu identifizieren.«
    Melanchthon seufzte in den Hörer.
    »Das ist nicht so einfach«, wandte sie ein. »Ich kann keine Hebel mehr in Bewegung setzen. Wenn Sie es genau wissen wollen, ich bin seit meiner Ankunft hier in Nebraska auf Bewährung, auf Probe. Wenn ich mein Versprechen verletze, wenn ich nur den kleinen Finger in Bezug auf diesen inzwischen begrabenen Fall rühre, dann werde ich abgesägt.«
    »Aber Sie haben gehört, was Boz mir heute Nacht geschickt hat …«
    »Was ein angeblicher Boz Ihnen geschickt hat, Franklin! Das kann jeder Idiot sein, der in den letzten zwölf Jahren in unserem Dienst mit dem Fall zu tun hatte! Da mache ich nicht mit. Das ist nicht handfest genug, um noch einmal ein Risiko einzugehen.«
    »Es kann handfest werden, wenn es uns gelingt, diesen Text in Quantico zu identifizieren.«
    »Tut mir leid, ich sitze in der Klemme. Geben Sie es auf, Professor.«
    »Was? Sie ziehen nicht mit?«
    »Nein.«
    Er war sprachlos vor Enttäuschung.
    »Rufen Sie mich wieder an, wenn Sie eine sensationelle Neuigkeit über diese Fotogeschichte herausgefunden haben«, sagte sie. »Ich kehre zu meinen Akten zurück.«
    »Warten Sie, legen Sie noch nicht auf!«
    Er beschloss, seine letzte Karte auf den Tisch zu legen. Seinen einzigen Trumpf in Wirklichkeit.
    »Sagen Sie mir, wenn ich mich irre, aber es gab doch vor Ihrer Mannschaft schon mehrere Ermittlungsteams beim FBI zu Boz, richtig?«
    »Stimmt. Vier.«
    »Und alle wurden auf Anweisung von oben aufgelöst, weil man den Verdacht hatte, dass der Schriftsteller einen Maulwurf in der Abteilung hatte. Ihr Sonderkommando ›The Last Word‹ wurde sogar extra mit diesem Hintergedanken gebildet.«
    »Na und? Das ist doch Schnee von gestern.«
    »Finden Sie es nicht irritierend, dass der tote Boz uns einfach so auf die Spur einer Polizeischule und eines ganz speziellen Dokuments aus dem riesigen Materialberg einer Bundesbehörde wie der in Quantico bringt?«
    Schweigen.
    Franklin setzte noch eins drauf.
    »Ich garantiere Ihnen, dass Ihre neuen Chefs Ihnen zuhören, wenn Sie über diesen Gesichtspunkt der Untersuchung mit ihnen sprechen.«
    Er wartete auf Melanchthons Antwort. Die mögliche Spur zu einem Maulwurf konnte sie nicht kaltlassen. Und trotzdem sagte sie: »Professor, ich werde meine neuen Vorgesetzten nicht davon unterrichten, wie Sie es vorschlagen! Ich fürchte, Sie haben nicht wirklich begriffen, was dank dieser Geschichte über das FBI hereingebrochen ist. Es wird Jahre dauern, bis es sich davon wieder erholt. Ich werde ganz bestimmt nicht wie eine Schwachsinnige mit einer anonymen E-Mail, einem Fax und einer SMS antanzen, von denen ich weiß, dass wir ihre Quelle nie herausfinden werden! Passen Sie bloß auf, Franklin, bei diesem Spielchen geraten Sie noch als Erster unter Verdacht!«
    »Sie wollen also nichts für mich tun …«
    »Nein, nichts. Ich werde Nebraska nicht verlassen. Aber … ( Pause. ) Ich kann jemanden anrufen. Und sehen, was das bringt. Geben Sie mir eine Stunde. Ich rufe Sie zurück.«
    Sie legte auf.
    Franklin atmete tief durch. Mit einem triumphierenden »Immerhin!« ließ er den Hörer auf den Wandapparat zurückfallen.
     
    Als er wieder zu Hause war, wurde ihm bewusst, dass er in diesem Augenblick der Letzte und Einzige war, der die Verfolgung von Ben O. Boz, jenem Tonkrug voll Staub, der dem Sand auf den Iles de la Madeleine übergeben worden war, wieder aufnahm.
    Auf dem Anrufbeantworter fand er eine Nachricht von Mary vor. Sie sagte, sie fühle sich zu erschöpft, und bat ihn, sie zum zweiten Mal hintereinander in der Stadt zu besuchen. Er beschloss, sie sofort anzurufen, sobald er den versprochenen Rückruf von Melanchthon erhalten hatte.
    Er dachte über diese Polizeiakademie und das Foto von Boz nach. Im April 1987 hatte er bereits mit seinen Entführungen von Versuchskaninchen begonnen. Außerdem war das der Zeitpunkt, an dem die junge Abigail von zu Hause ausgerissen war. Boz suchte überall nach

Weitere Kostenlose Bücher