Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Fall für Mr. Holmes

Kein Fall für Mr. Holmes

Titel: Kein Fall für Mr. Holmes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney Hosier
Vom Netzwerk:
erreichten die Schlafzimmertür, die Vi, nachdem wir eilig den Raum betreten hatten, schnell von innen abschloß.

5. Komplizinnen
     
    Nachdem wir wie zwei abtrünnige Schulmädchen die Treppe hinauf in das sichere Schlafzimmer gerannt waren, gönnten wir uns etwas Zeit, um wieder zur Ruhe zu kommen, bevor Vi so nett war, mir beim Auspacken meiner wenigen Sachen zu helfen.
    »Viel hast du ja nicht gerade dabei, was?« meinte sie und hängte mein marineblaues Kleid mit dem gekräuselten Spitzenkragen in den Schrank.
    »Ursprünglich hatte ich nicht mehr als eine Übernachtung eingeplant«, antwortete ich. »Nun scheint es allerdings doch ein etwas längerer Aufenthalt zu werden.«
    »Ja, aber nur bis zum Wochenende, und das gilt auch für mich. Ich meine, du hast ja gehört, was Lady Gernegroß gesagt hat. Kannst du dir das vorstellen: Sie erlaubt mir, zu dem verflixten Begräbnis zu gehen! Also wirklich! Außer dem alten Hogarth…«
    »Hogarth?«
    »Ja, der Butler. Also, ich wollte sagen, ich war die einzige, die sich je aus dem alten Mädchen etwas gemacht hat.«
    Sie ging durch das Zimmer zu einer großen, reichverzierten Kommode. »Du hältst doch sicher auch was von einem kleinen Schluck zum Anfeuchten der Kehle, oder, Liebes?« fragte sie und öffnete die zweite Schublade von oben.
    »Also wirklich, Violet Warner!« rief ich mit gespieltem Entsetzen aus. »Sag nur nicht, daß du schon Alkohol in deinem Schlafzimmer versteckst!«
    »Nur zu medizinischen Zwecken, du verstehst«, antwortete sie mit einem frechen Augenzwinkern und brachte eine Flasche Sherry zum Vorschein.
    Während sich meine Kameradin der Aufgabe widmete, die Gläser zu füllen, machte ich es mir auf einem leicht abgenutzten, kleinen blauen Samtsofa bequem, welches gegenüber einem Bett von unermeßlichem Alter und Gemütlichkeit stand. Am anderen Ende des Raumes starrte mich ein Foto von Violet und Albert vom Kaminsims herunter an.
    »Ich erinnere mich noch an den Tag, als du und Albert das Foto habt machen lassen«, sagte ich mit einem Lächeln.
    Sie schaute das Bild für einen Augenblick sehnsüchtig an, bevor sie antwortete, daß es das einzige sei, was sie aus jenen Tagen behalten habe.
    »Im Gegensatz zu mir«, antwortete ich kichernd. »Ich kann mich nie dazu durchringen, etwas wegzuwerfen. Mach keinen Fehler, Mädchen, irgend jemand wird sich köstlich amüsieren, wenn ich mal nicht mehr bin und alles geordnet werden muß.«
    Nachdem sie mir mein Glas gegeben hatte, zog sie sich einen Korbsessel aus der Ecke und setzte sich mir gegenüber.
    »Weißt du, Vi«, sagte ich und beugte mich vor, »als du das erste Mal andeutetest, daß deine Arbeitgeberin ermordet worden sei, nun, da dachte ich offen gestanden, daß du…« Ich suchte nach dem treffenden Ausdruck.
    »Daß ich übergeschnappt bin, richtig?«
    Violet war schon immer sehr direkt gewesen.
    Ich wand mich verlegen. »Es scheint so«, ging ich das Thema von einer anderen Seite aus an, »als bestätige das Gespräch, welches wir im Arbeitszimmer belauschen konnten, deine Geschichte bis zu einem gewissen Punkt. Nämlich insofern, als sich etwas Merkwürdiges, oder zumindest Ungewöhnliches, in der fraglichen Nacht im Schlafgemach Ihrer Ladyschaft zugetragen hat.«
    »Oh ja, ich würde auch sagen, daß Mord irgendwie etwas Ungewöhnliches ist«, meinte sie und genehmigte sich einen recht großen Schluck Sherry. »Und dein Mr. Holmes«, erkundigte sie sich, während sie die verbliebene Flüssigkeit in ihrem Glas unter die Lupe nahm, »was sagtest du, wann kommt er zurück?«
    Sie stellte ihre Frage fast zu beiläufig, und obwohl sie ziemlich unschuldig dreinblickte, konnte ich spüren, daß sie sich durch das, was sie als einen Mangel an Glauben meinerseits empfunden hatte, verletzt fühlte und ihr daran lag, daß sich der berühmte Sherlock Holmes des Falles annahm.
    »Meine liebe Violet«, antwortete ich matt, »weder Mr. Holmes noch Dr. Watson werden vor Ablauf von mindestens zwei Wochen aus Schottland zurückkehren. Bis dahin werden die Spur kalt und die Hinweise vernichtet sein. Nachdem ich die Angelegenheit also gründlich durchdacht habe« – dies war eine kleine Notlüge, denn in Wahrheit hatte ich über meine weiteren Schritte gerade erst in dem Moment entschieden –, »habe ich mich dazu entschlossen, meine eigenen Nachforschungen hinsichtlich des Mordes auf Haddley Hall durchzuführen. Der Mord auf Haddley Hall«, wiederholte ich mit einem Lächeln. Das hörte sich wie ein

Weitere Kostenlose Bücher