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Kein Freibier für Matzbach

Kein Freibier für Matzbach

Titel: Kein Freibier für Matzbach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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gepflastert. Vor dem eigentlichen Hauptgebäude gegenüber der Scheune standen zwei Autos. Eines davon war Rapunzels gelber Golf, das andere ein rundlicher 180er Benz, Baujahr um die 1960, optisch in bestem Zustand.
    Das Haupthaus hatte etwas von einem französischen Manoir; vom früher einmal mistbeschichteten Hof, auf den vergitterte Kellerfenster eher zu blinzeln denn zu blicken schienen, führte eine geschwungene Doppeltreppe mit schmiedeeisernem Geländer zu einer messingbeschlagenen Flügeltür aus schwarzem Holz. Vor den Fenstern von Hochparterre, erster und zweiter Etage ließen sich notfalls grüne Holzblenden schließen. Schmale Durchgänge rechts und links des Hauses mochten zu einem Garten oder auf die Felder führen.
    Matzbach schloß den Rover nicht ab, erklomm die Treppe und zog an einem echten alten Steigbügel neben der Tür; drinnen machte es mehrfach
dingdong
.
    Trotz der schweren Tür hörte Baltasar schnelle helle Schritte, schloß die Augen und sah im Geiste eine schmächtige Brünette näher kommen, mit heller Bluse, hellem knielangen Rock und halbhohen Absätzen, über helle Fliesen in einem gutbeleuchteten Flur.
    Die Dame, die die Tür öffnete, war aschblond, um die 1,80 groß, eher kräftig denn schlank, trug ein blaues Herrenhemd mit aufgekrempelten Ärmeln und dunkelrote Jeans; auf dem dunklen Flur aus dunkelbraunen Bohlen hatte sie mit dunklen Clogs die helle Schrittmelodie geklimpert.
    »Ja bitte?« Ihre Stimme war aufgerauhter dunkler Samt.
    Mit einer angedeuteten Verbeugung sagte er: »Matzbach mein Name. Rapunzel hat ...«
    »Ah. Sie sind das. Kommen Sie rein.« Das gebräunte Gesicht mit Sommersprossen hellte sich kurz auf, wurde dann wieder ernst.
    Sie ging voraus durch den dunklen Flur. Matzbach folgte, registrierte die antike Streitaxt, die neben Wappen und Kupfertellern an der Täfelung hing, die Treppe links, die dunklen schweren Möbel jenseits einer halboffenen Tür, und die Kunstfertigkeit der Hausherrin, die mit Clogs grazil schweben konnte.
    Durch die Küche am Ende des Flurs gingen sie hinaus auf eine hölzerne Galerie oder Veranda, bewuchert mit Weinlaub, über einem verwunschenen Garten.
    Rapunzels Haar hing nicht herab; dichter gräulicher Flaum bedeckte ihren Kopf. Aus dem Korbsessel, in dem sie gekauert hatte, als ob sie trotz der Hitze fröre, stand sie langsam, fast schwächlich auf, kam in Matzbachs Arme und preßte das Gesicht gegen seine Schulter. Sie hatte abgenommen. Während er den von trockenem Schluchzen erschütterten Körper streichelte, der in einem viel zu weiten Flanellhemd steckte und viel zu knochig war, dachte er ›Scheißescheißescheiße‹, stieß eine leise Mischung aus Knurren und Schnurren aus und bemerkte, daß die Hausherrin ihnen den Rücken zuwandte, sich über die Augen fuhr (so sah es von hinten aus) und dann scheinbar mühelos schwere Teakstühle verrückte, die des Verrückens nicht bedurften.
    Es dauerte Sekunden; sie waren sehr lang. Als Rapunzel sich abwandte, hielt Matzbach sie an den Schultern fest und blies sanft in den Haarflaum.
    »Das da«, sagte er. »Haben sie dich mit Pharmasuppe abgefüllt?«
    Rapunzel ließ sich in den Korbsessel sinken. »Ging ganz schnell.« Ihre Stimme war dünn und herb. »Leber. Die Chemie hat nichts gebracht.«
    »Und?«
    Sie hob die Schultern. »Drei Monate; dreieinhalb. Setz dich doch endlich. Ich mag nicht zu dir aufschauen.«
    »Kann ich gut verstehen.« Matzbach ging um das Teaktischchen und setzte sich mit dem Rücken zu Geländer und Garten.
    Die Herrin des Hauses blieb zwischen ihrem mit einem Kissen belegten Stuhl und dem Tisch stehen; sie wies auf die Platte mit Kirschstreusel und die Kanne. Die Damen hatten vermutlich kräftigen Tee getrunken, britisch, mit Zucker und Kuhmilch.
    »Kann ich Ihnen was anbieten, Herr Matzbach? Ah, übrigens – ich weiß nicht, was Rapunzel Ihnen auf Band gesprochen hat. Ich bin Hermine Päffgen.«
    »Wie Kölsch?«
    Sie grinste knapp. »Genau.«
    »Also, danke für die Offerte. Ich hab noch nicht gefrühstückt; ein Topf Tee, Streusel und ein Aschbecher wären nicht schlecht.«
    »Frühstücken Sie Aschenbecher?«
    »Man muß die Zähne trainieren. Hören Sie, nichts gegen Ihren feinen Nachnamen, aber es wäre ein Jammer, die Hermine unbenutzt zu lassen. Von mir aus geht das ohne Frau und Herr.«
    »Ist gut – Baltasar. Oder ziehen Sie Matzbach vor?«
    »Wie’s Ihnen besser über die Lippen flutscht.«
    »O Matzbach«, sagte Rapunzel; sie lächelte matt.

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