Kein Freibier für Matzbach
»Gut, dich zu sehen. Irgendwie hebst du die Stimmung.«
Hermine Päffgen rumorte in der Küche, erschien mit Becher, Teller, Gabel und Löffel, stellte alles vor Matzbach und sagte: »Bedienen Sie sich.« Sie zupfte ihr Kissen zurecht und setzte sich.
Matzbach goß Milch in den Becher, dann Tee, nahm Zucker und rührte; dabei sah er Rapunzel an. »Als wir uns das letzte Mal gesehen haben – sechs Monate? –, wußtest du noch nichts davon, oder?«
Sie preßte die Lippen zu einem Strich. »Nein. Ich hab mich irgendwie unwohl gefühlt. Diffus, ja? Nichts Genaues.« Sie schwieg einen Moment. Dann holte sie tief Luft. »Leber, sagen die, geht wahnsinnig schnell und wird am Schluß sehr widerlich, und soweit bin ich noch nicht, und Scheiße, können wir jetzt von was anderem reden?«
»Gern, solang es nichts Erfreuliches sein muß«, sagte Matzbach. »Daran herrscht nämlich gerade Mangel, und zwar im Überfluß.« Er lud zwei Stück Streusel auf seinen Teller. »Wie wär’s mit Albo?«
Hermine Päffgen seufzte leise; Rapunzel ließ den linken Mundwinkel aufwärtszucken und sagte ohne jede Betonung:
»Ich weiß nur, was dieser Kripo-Mensch mir am Telefon gesagt hat. Nachts tot vor eurer Kneipe, auf dem Anleger, ja? Ich wüßt es gern genauer.«
»Nein, wüßtest du nicht. Es paßt nicht zu Tee und Streuselkuchen.«
»Dann iß auf und red anschließend. Meinst du, mich könnte noch irgendwas erschrecken?«
Matzbach legte die Gabel nach dem zweiten Bissen weg. »Na schön, wenn du darauf bestehst ...«
Er schilderte knapp und kühl, wie er Alberich gefunden und wie der Leichnam ausgesehen hatte. Hermine Päffgen schloß die Augen; Rapunzel lauschte anscheinend ungerührt.
»Wenn das so ist ...« sagte sie schließlich. Sie bückte sich und holte einen braunen Umschlag (DIN A5) aus der Handtasche, die neben dem Korbsessel lag. »Ich fürchte, ich werde mich ein bißchen verstecken müssen. Nicht, daß man mir noch viel tun könnte.«
»Warum?« Päffgen und Matzbach sagten es gleichzeitig.
»Ich glaube, ich weiß, warum er umgebracht wurde.«
3. Kapitel
An einem Abhang ist mir Neigung Pflicht.
B ALTASAR M ATZBACH
Im Prinzip ist es simpel; ich kenne kaum Einzelheiten, aber das große Bild genügt wohl – fürs erste. Anno neunzig, als die Ostmark durch Westmark verzaubert wurde ... also, eher kurz davor; jedenfalls: Albo und ein Kumpel haben damals einen schmierigen Deal abgezogen. Albo aus dem Bauministerium, sein Kumpel Krämer aus dem Verkehrsministerium und wahrscheinlich – weiß ich aber nicht – noch zwei Leute, Innerdeutsches und Verteidigung glaub ich, haben das zusammen ausgebrütet. Es ging um ein größeres Stück Land am Nordrand der Rhön, auf DDR-Gebiet. Albo wußte, daß da demnächst alte Straßen neu- beziehungsweise ausgebaut werden sollten. Das war zwar noch nicht in der Planung, aber kurz davor. Ein Stück diesseits der Grenze hat wohl dem Verteidigungsministerium gehört, wurde aber schon lange nicht mehr genutzt, außer für Patrouillengänge. Als klar war, daß es zur Vereinigung kommt, waren die schnell bereit, nutzlosen Boden abzustoßen. Ein Stück jenseits der Exgrenze fiel aus obskuren Gründen in die Zuständigkeit des Innerdeutschen Ministeriums, des Bauministeriums und des Liegenschaftsamts, weil da irgendwelche uralten Staatsbauten standen, noch aus der Kaiserzeit, glaub ich. Jedenfalls: Ich weiß, wie gesagt, keine Einzelheiten, aber die Jungs haben das hin und her geschoben und gewaschen und gemangelt und plattgebügelt, bis keiner mehr wußte, wo hinten und vorn war; dann haben sie es einem weiteren Kumpel, der erste Fühler nach drüben ausgestreckt hatte, für hundert Millionen Ostmark verscherbelt, und der hat’s ein paar Monate später für hundertsechzig Millionen West wieder verkauft, an den Bund, an Hessen und an Thüringen, damit die da ihre Straße bauen konnten. So ungefähr. Und alle, die beteiligt waren, wurden beteiligt.«
Matzbach beendete sein zweites Stück Streusel und gluckste leise. »Von der Art muß es damals einige Geschäfte gegeben haben. Und weiter?«
»Irgendwann – genau weiß ich es nicht mehr – ist Albo zu mir gekommen, damit ich was unterschreibe. Bankformulare. Es ging um Verfügungsgewalt oder wie das heißt. Er hat gesagt: ›Für alle Fälle, damit, falls mir was passiert, jemand dran kann. Frag besser nicht; ich muß ein bißchen was verstecken.‹ Es waren mehrere Banken in Luxemburg. Ich hab nicht gefragt, sondern sozusagen
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