Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein ganzes Leben lang (German Edition)

Kein ganzes Leben lang (German Edition)

Titel: Kein ganzes Leben lang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Benke
Vom Netzwerk:
du hast Ahnung von diesen Dingen?“ Ihre Stimme war plötzlich ruhig. Christianos Blick fiel auf die Wasserflasche, die vor Lucrezia stand. In demselben Augenblick griff sie danach. „Vielleicht hast du mehr Respekt vor mir, wenn ich dir die Flasche über den Kopf ziehe. Bei Anna scheint es geklappt zu haben.“ Sie kam drohend um den Schreibtisch herum. Christiano stand blitzschnell auf. Er griff nach ihrer Hand. Dieses Mal war er wachsam. Seit gestern Abend traute er jeder Frau alles zu. Sie wehrte sich, aber er war stärker. Die Wasserflasche fiel auf den Teppichboden und rollte gegen das Bücherregal. Sie sahen sich an. Lucrezias volle Lippen bebten, ihre Wangen glühten, ihre Augen glänzten pechschwarz. „Du bist sehr anziehend, wenn du wütend bist“, sagte Christiano grinsend. Er zog sie an sich. Lucrezia wand sich aus seiner Umarmung. Sie war immer noch verärgert.
    Ihr Blick fiel auf seine verbundene Hand.
    „Hätte ich ihr niemals zugetraut, auf dich einzustechen.“ Sie lachte spöttisch und verließ sein Büro.
     
    Nach dem Mittagessen machte Anna einen Spaziergang mit Laura. Sie schob den Kinderwagen die Anhöhe hinauf. Laura war sofort eingeschlafen. Kastanienbäume erhoben sich majestätisch am Wegrand und verdeckten die alten Palazzi. Die Sonne tauchte die Hausfassaden in ein goldenes Licht. Fast arrogant überblickten sie die Straßenbahnschienen, die zum Bahnhof Cadorna führten. Die Fensterläden waren gegen die Sonne geschlossen. Waren die Menschen in den Wohnungen, die sich dahinter verbargen, glücklich? Sie wohnten in einer der schönsten Gegenden von Mailand. Doch reichte das? Ihre Nachbarin kam ihr entgegen. Ihr Fendi-Schal in gedeckten Beigetönen wehte im Wind. Sie war wie immer wie aus dem Ei gepellt.
    „Was für ein wunderschöner Tag“, begrüßte sie Anna und nahm ihre große Sonnenbrille ab. Sie beugte sich über den Kinderwagen und überhäufte Laura mit Liebesbekundungen. Dabei strich sie ihr immer wieder über die Wange.
    „Was für ein schönes Kind!“
    „Danke“, murmelte Anna. Sie hasste es, wenn Fremde ihr Baby anfassten. Ihre Nachbarin ging ihr auf die Nerven.
    „Und so eine schöne Mama. Da ist der Papa sicher stolz. Was für ein vollkommenes Glück.“ Ihre Nachbarin sah sie neugierig an. Anna hatte das unwiderstehliche Bedürfnis, sie zu schocken.
    „Ich habe vor ein paar Tagen versucht, den Papa zu erstechen“, erwiderte Anna sachlich. Der Nachbarin klappte die Kinnlade herunter. Anna verkniff sich ein Lachen.
    „Das war ein Witz“, beeilte sie sich hinzuzufügen.
    „Seltsamer Humor“, erwiderte die Nachbarin erschrocken. Mit den Worten „Ich muss gehen“ verabschiedete sie sich schnell.
    Im Weggehen hörte Anna sie murmeln: „Auch im Sommer weiß wie die Wand. Die war mir schon immer suspekt.“
    Anna prustete los. Als sie sich beruhigt hatte, trat Ernüchterung ein. Sie folgte mit dem Blick dem Flug eines Schwalbenschwarms, der über den Dächern der Palazzi kreiste. Die Dinge liefen aus dem Ruder. Sie hatte keine Lust, dagegen anzukämpfen.
    Nach Büroschluss schlenderte Lucrezia an den Kanälen, den Navigli entlang. Sie liebte das romantische Viertel um die Kanäle herum und hatte sich vor Jahren eine kleine Wohnung hier gekauft. Trödelmärkte, Vintage-Geschäfte und gemütliche Kneipen verliehen dem Viertel eine bohemienhafte Atmosphäre. In Gedanken versunken, rempelte Lucrezia eine alte Frau an, die schwer auf ihren Stock gestützt den Weg entlanghumpelte.
    „Nicht so stürmisch, junge Frau“, schimpfte diese.
    Lucrezia schreckte auf. „Entschuldigung, ich habe Sie nicht gesehen.“
    „Dann würde ich mal zum Augenarzt gehen. Sie sind direkt auf mich zugekommen“, bemerkte die Frau und setzte schon ihren Weg fort.
    Lucrezia sah ihr ratlos nach. Sie war unkonzentriert und unausgeglichen. Der Streit mit Christiano war übertrieben gewesen. Das passte nicht zu ihr. Sie stritt sich nie mit Männern, außer es war beruflich. Wenn sie ihr auf den Geist gingen, beendete sie einfach das Verhältnis. Dieses Mal nicht. Dieses Mal war anders. Aus der Bäckerei stieg ihr ein köstlicher Duft in die Nase. Die Ladenglocke schellte, als sie die Tür öffnete.
    Sie betrachtete das Sortiment von Panini, Focaccia und Pizzen. Anna, ihre nordische Elfe, die blass und zerbrechlich in den weißen Bettlaken versank, kam ihr in den Sinn. Ihr wurde schlecht.
    „Sie wünschen, Schönheit?“
    Sie sah den Bäcker an, der hinter dem Tresen stand. Er war Mitte

Weitere Kostenlose Bücher