Kein ganzes Leben lang (German Edition)
kurz vor dem Aus steht. Leider haben wir festgestellt, dass die Fusion bei der Europäischen Kommission angemeldet werden muss. Es ist eine reine Formsache, da keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken bestehen. Jedoch droht dieses Verfahren den Deal zu vereiteln.“
„Die Freigabe kommt erst, wenn die Banken die Kredite haben platzen lassen“, vollendete Anna Pauls Darstellung.
„Richtig. So eingerostet bist du doch gar nicht.“
„Das hätte auch meine Großmutter erraten können.“
„Immer zu bescheiden, ihr Frauen.“
„Und ihr Männer könntet mit der Führung der Welt betraut werden und würdet nicht eine unruhige Nacht verbringen.“
„Früher warst du nicht so zynisch.“
Anna stockte, stimmte das? Doch bevor sie ihren Gedanken weiterverfolgen konnte, setzte Paul fort: „Eine Mailänder Kanzlei vertritt das italienische Unternehmen. Die meiste Arbeit wird von den Italienern bewältigt, die Anmeldung entwerfen und so weiter. Unsere Mandanten haben aber noch nie mit einer italienischen Kanzlei zusammengearbeitet und würden gerne jemanden vor Ort haben, der ihnen auf die Finger schaut.“ Er hielt inne.
„Und da hattest du an mich gedacht?“ Anna war sprachlos.
„Du bist die beste Wettbewerbsrechtlerin, die ich kenne, du lebst in Mailand und sprichst Italienisch.“
„Paul, ich weiß zu schätzen, dass du so viel von mir hältst, aber es geht nicht. Ich habe die kleine Laura und bin seit zwei Jahren aus dem Job.“
„Du könntest die meiste Zeit von zu Hause aus arbeiten, und wenn du wirklich mal rausmusst, nimmst du dir eine Kinderfrau. Über deinen Stundensatz werden wir uns einig werden.“
„Ich bin diesem Job nicht mehr gewachsen“, protestierte sie.
„Sag, dass du es dir überlegst“, flüsterte eine Stimme ihr ins Ohr. Anna zuckte zusammen. Sie hatte gedacht, dass Helene ihren Mittagsschlaf hielt.
„Anna, bist du noch da?“
„Ich überleg es mir.“
„Gut. Ich komme in den nächsten Tagen nach Mailand, um mich mit den Anwälten und ihrem Mandanten zu treffen. Es wäre gut, wenn du es dir bis dahin überlegt hast und mit zu dem Treffen kommst.“
Plötzlich befiel sie eine Unruhe. „Um welche Kanzlei geht es?“
„Ambrosio & Partner.“
Ein elektrischer Schlag durchzuckte sie.
„Wer ist der Partner?“, fragte sie schwach.
„Warte mal.“ Sie hörte das Rascheln von Papier. „Hier ist es. Es ist ...“ Paul hielt inne.
„Christiano Rumi.“
Anna ließ sich auf das Sofa fallen.
„Anna? Was ist denn? Kennst du ihn?“
Das ist mein Mann, dachte sie und erwiderte: „Nein, ich kenne ihn nicht.“
„Das ist deine Chance, ihm zu zeigen, wo es langgeht.“ Ihre Großmutter hatte die Hände in die Hüften gestemmt.
Anna badete Laura.
„Das ist die Chance, mich noch mehr erniedrigen zu lassen. Reich mir mal das Haarwaschmittel.“
Helene nahm eine Flasche aus dem Badezimmerregal.
„Blödsinn. Du bist gut, besser als er.“
„Und wenn schon. Wenn ich Paul mitteile, dass er mein Mann ist, bin ich draußen.“ Anna hielt Laura mit einer Hand fest und seifte ihr mit der anderen den Kopf ein. Paul hatte ihren Mann nie getroffen. Christiano und sie hatten alleine in einer kleinen Kapelle in der Toskana geheiratet. Sie hatte ein schlichtes Kleid mit alter Spitze getragen und eine Margerite im offenen Haar, Christiano einen Anzug ohne Krawatte. Viele hatten nicht verstanden, warum sie noch nicht einmal ihre Familie dabeihaben wollten.
„Nur wir und unsere Liebe“, hatte Christiano gesagt, und sie hatte ihn noch mehr geliebt. „Bisher hast du es ihm verschwiegen“, gab Helene jetzt schmunzelnd zu bedenken.
Anna hob Laura aus dem Bad und wickelte sie in ein Handtuch ein.
„So etwas fliegt immer auf.“
„Wie denn? Paul hat Christiano nie getroffen, und du hast nach der Heirat deinen Mädchennamen beibehalten. Dumm wäre nur, wenn die Besprechung in Christianos Kanzlei stattfindet.“
„Ich muss es ihm sagen. Er ist mein Freund“, beharrte Anna.
Ihre Großmutter hob die Augenbrauen.
„Was ist, wenn ich jämmerlich versage? Ich bin seit zwei Jahren aus dem Job.“ Anna sah Helene an.
„Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“
„Es wäre letztlich doch nur ein dummes Spiel.“ Anna biss Laura sanft in die nackten Speckbeinchen. Dann tröpfelte sie Babyöl auf ihre Hände und begann Laura einzureiben.
„Was ist im Leben schon nicht gespielt?“, fragte Helene.
Laura fixierte einen Punkt an der Decke. Vergnügt quietschte sie. Ein zärtliches
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