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Kein Job fuer schwache Nerven

Kein Job fuer schwache Nerven

Titel: Kein Job fuer schwache Nerven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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ich hätte unnötige Putzstunden berechnet. Was etwas unerwartet kam, war, dass wir möglicherweise auf das Motiv für den Selbstmord gestoßen sind.
    Dass der ruhige Herr Lombardo auch im Nicht-Wortsinne sehr an seiner Wohnung gehangen hatte, war leicht zu erkennen gewesen. Er hatte schon recht lange dort gelebt – und das war das Problem: Er wohnte zu billig. Aus seinem alten Vertrag war für die Vermieter nicht mehr herauszuholen, aber wenn man die Wohnung richtig flott hätte sanieren können, hätte man eine der begehrten Drei-Zimmer-Altbauwohnungen gehabt, mitten in München, eine echte Goldgrube. Also hatten die Vermieter Herrn Lombardo rausgedrängt. Nicht bösartig, aber sie hatten ihn einfach nicht in Ruhe gelassen und ihm gezeigt, dass er im Haus nicht mehr erwünscht war. Ihren letzten Versuch hatte er bereits nicht mehr erleben müssen, denn der fand sich auf seinem alten Anrufbeantworter. Wir hörten ihn ab, aus Ratlosigkeit, während die Familie über die schwierige Entscheidung diskutierte, ob man das Gerät denn nun behalten sollte oder nicht oder wer es verwenden könnte und wer schon einen Anrufbeantworter hatte und daher doch keinen weiteren brauchte. Auf jeden Fall hörten wir plötzlich die Stimme des Vermieters, nicht drohend, nicht unhöflich, aber eben sehr kühl und sachlich, und sie sagte, es würde ihm jetzt allmählich zu langwierig, und wenn Herr Lombardo sich jetzt bitteschön zu einem raschen Auszug entschließen würde, dann würde er, der Vermieter, seinerseits noch 1 0 000 Euro drauflegen und fertig.
    Rein sachlich gesehen war das ein Geschäftsangebot wie hundert andere auch, aber so hatte das Herr Lombardo wohl nicht empfunden. Und andere wären vielleicht sogar liebend gern auf das Angebot eingestiegen, 1 0 000 Euro fürs Ausziehen, das ist doch immerhin mal ein Angebot, das man nicht alle Tage bekommt, zumal Herr Lombardo vielleicht nicht gerade reich war, aber Geldsorgen hatte er sicher nicht, da hätte sich schon noch eine andere Wohnung finden lassen. Doch solche Dinge sind halt nicht immer nur reine Kopfsache, und man weiß vorher nie, welcher Tropfen das mentale Fass eines Selbstmordkandidaten dann zum Überlaufen bringt.
    Wir haben uns angesehen, etwas irritiert, etwas ratlos, mit einem » Da kann man halt nichts machen«-Gesicht, und dann haben wir uns an die Reinigung der Möbel gemacht. Das klappte tatsächlich ziemlich gut, mit Wasserstoffperoxid einmal drüber und sofort mit einem Lappen mit Wasser hinterher, damit man das Zeug sofort neutralisiert. Sonst hätten die hübschen dunklen Möbel womöglich hinterher alle ausgesehen wie Billy-Regale von Ikea, Kiefer unbehandelt. Und während wir in den folgenden Tagen immer wieder vorbeifuhren und eine Etage tiefer die Fliegen beseitigten, fragte ich mich, ob eigentlich der Herr Lombardo oder besser: seine Familie im Nachhinein die 1 0 000 Euro bekommen hat.
    Die Reinigungskosten hätte man ja davon bezahlen können, und ausgezogen ist schließlich ausgezogen, oder?
    Ich glaub’s aber nicht.

5 . Die Bonnie-Situation
    Es gibt nicht viele Fälle, bei denen wir alles stehen und liegen lassen. Der Fall im Supermarkt (siehe » Ladenschluss«) war einer davon, aber sogar bei dem hätten wir uns etwas mehr Zeit lassen können, da waren wir ja schon am Einsatzort, noch bevor die Leiche abtransportiert war, also bevor wir überhaupt hätten anfangen können. Aber in einem Fall kam es tatsächlich auf jede Sekunde an. Das war durchaus so etwas wie die » Bonnie-Situation«.
    Die » Bonnie-Situation« stammt aus dem Film Pulp Fiction . Zwei dumme Gangster haben irrtümlich einen dritten auf dem Rücksitz ihres Autos erschossen. Der ganze Wagen ist voll Blut, und in ihrer Not fliehen sie in die Garage eines Freundes. Der ist stinksauer, weil in Kürze seine Frau heimkommen wird und er weiß: Wenn die in der Garage eine blutige Leiche in einem blutigen Auto findet, dann lässt sie sich scheiden, und das ist noch das Mindeste. Also: Die Uhr tickt, und so war es auch in diesem Fall. Die Uhr tickte ab dem Moment, in dem uns das KIT angerufen hatte, etwa 10 Uhr vormittags. Eine Frau hatte einen Selbstmordversuch unternommen, ihr Mann hatte sie entdeckt, gerade noch rechtzeitig. Sie war ins Krankenhaus gekommen, und wir sollten die Blutspuren beseitigen, bis um 13 Uhr. Denn dann würde der Sohn der beiden aus der Schule nach Hause kommen. Und der Vater traute sich zwar zu, dem Jungen das mit dem Selbstmordversuch zu erklären, aber nicht

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