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Kein Job fuer schwache Nerven

Kein Job fuer schwache Nerven

Titel: Kein Job fuer schwache Nerven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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die Art und Weise.
    Im Nachhinein muss ich ihm absolut recht geben. Das Erste, was Helga und ich in dem Haus sahen, waren Blutspuren. Es war ein hübsches altes Haus, Jugendstil, mit einer schönen Steintreppe. Und genau in der Mitte der Stufen dieser Steintreppe waren Blutstropfen. Nicht hier mal einer und da mal einer, sondern großzügig verteilt, so, als hätte man Konfetti gestreut. Man folgte den Spuren bis zum ersten Treppenabsatz und traf auf die Hausmeisterin, die eifrig mit irgendwelchen Mitteln daran herumschrubbte. Ich bat sie, das bleiben zu lassen.
    Die Tropfen führten weiter bis zur mit Parkett belegten Holztreppe. In der Mitte der Treppe verlief ein knallroter Veloursläufer, jeweils aufwendig mit Messingstangen am Fuß jeder Stufe befestigt. Das war ein richtig gediegenes, gutbürgerliches Haus, und wir brauchten nur den Blutstropfen zu folgen, die sich manchmal dick auf dem Läufer befanden, manchmal genau daneben auf dem Holz. Man folgte diesen Tropfen und Klecksen wie Hänsel und Gretel ihrer Steinspur, man konnte einfach nicht falsch gehen, bis zur Wohnung im zweiten Stock.
    Der lange Holzflur sah hier ziemlich genauso aus, die Tropfen waren allerdings dichter. Sie führten zu einer dieser Altbautoiletten: ein langer Schlauch, und ganz hinten direkt unter dem Fenster befindet sich die Toilettenschüssel. Eine sehr moderne Schüssel in einer sehr geschmackvollen Toilette, ganz in Schwarz und Weiß, die Wände weiß gefliest mit einem schmalen Absetzstreifen, der Boden mit schwarzen, glänzenden Fliesen ausgelegt, die alten Abwasserrohre, die über der Wand verliefen, waren nicht verkleidet, sondern schön weiß gestrichen und passten auch gut zu dem kleinen weißen Waschbecken an der Wand. Theoretisch.
    Normalerweise.
    Heute wirkte all das seltsam unsinnig, wegen des Blutes. Hier lagen keine einzelnen Tropfen mehr. Die gesamte Toilette war großflächig zugeblutet. Das Waschbecken dick verschmiert, das Abwasserrohr daneben, die Wand an den Fliesen. Es sah aus, hätte sich jemand eine Messerstecherei mit sich selbst geliefert. Und so ziemlich genau das war passiert.
    Dass die Frau depressiv war, hatte ihr Mann gewusst. Er war etwa 50 Jahre alt, er war in der Wohnung, er stand erschüttert dabei. Sie war auf die Toilette gegangen, ganz normal. » Ich muss mal«, hatte sie ihm noch gesagt, und war gegangen, wie an tausend anderen Tagen auch. Sie hatte sogar ihre Kaffeetasse mitgenommen, ein Feuerzeug, vielleicht rauchte sie öfter auf der Toilette. Jedenfalls hatte er dort noch ihr Stöhnen gehört, nun gut, das kommt auch mal vor, Krämpfe, Verstopfung, was weiß ich.
    » Alles in Ordnung?«, hatte er noch besorgt gefragt.
    » Ja.«
    Die Toilette ist privatester Intimbereich. Da dauert es doppelt lange, bis man es wagt, den Partner zu stören. Aber das Stöhnen hörte nicht auf und wurde immer irrsinniger. Und sie öffnete ihm nicht. Dann trat er die Türe ein.
    Sie lag auf dem Boden, neben sich ein Messer. Sie hatte sich die Bauchdecke aufgeschlitzt. Von links nach rechts, von rechts nach links, immer und immer wieder. Dazwischen hatte sie sich an dem senkrechten Wasserleitungsrohr neben dem Waschbecken hochgezogen, das Rohr war voller Handabdrücke, sie musste kurz so dagestanden haben, die blutigen Hände links und rechts auf das kleine Waschbecken gestützt, denn nur so waren die vielen kleinen Blutspritzer in Fußhöhe zu erklären, durch Blut, das aus einer gewissen Höhe herausperlte, auf dem Boden aufspritzte, so lange, bis sie sich nicht mehr aufrecht halten konnte und wieder zusammensank. So fand er sie. Der Bauchraum war offen gewesen, man konnte es jetzt noch erkennen, es lag auch Fettgewebe auf dem Boden, glibbrig, körnig, gelblich, ein bisschen so wie Kaviar. Und wenn er etwas genauer hingesehen hätte, hätte er wohl auch ihre Organe im Bauchraum sehen können, aber er sah natürlich nicht genauer hin, Gott sei Dank, sondern er machte alles richtig und rief den Notarzt.
    Im Flur, neben der Toilettentür, lag ein Messer.
    » Ist das das Messer, mit dem …?«, fragte ich.
    Der Beamte vom KIT nickte.
    20 Zentimeter Klinge. Wellenschliff. Das ideale Brotmesser. Unglaublich, was kranke Menschen mit sich anstellen. In der Blutsuppe auf dem Boden lag zudem die umgekippte Kaffeetasse, das Feuerzeug und ein Schlüsselbund. Und vorne, an der Schwelle zum Flur, ein Haarteil, vollgesogen mit einem großen länglichen Blutklumpen daran.
    Ich stellte Helga sofort zum Wischen im Bad ab. Ich

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