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Kein Job fuer schwache Nerven

Kein Job fuer schwache Nerven

Titel: Kein Job fuer schwache Nerven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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konnte mich darauf verlassen, dass sie das makellos hinbekommen würde. Ich selbst übernahm in der Zwischenzeit den Flur und die Wand. Das war knifflig genug, weil nur wenig Zeit zum Trocknen der Farbe bleiben würde. Den Geruch feuchter Farbe würde man dem Sohn wohl kaum ersparen können. Dazwischen rollten wir die Teppiche ein und verpackten sie. Wir hätten sie natürlich auch reinigen können, aber diesmal zählte vor allem die Zeit: Einpacken geht schneller, später konnte sich dann eine Reinigung mit den Teppichen befassen. Und dazwischen, während des Streichens, Putzens und Überprüfens, schaffte ich es gerade noch so eben, die Blutstropfen und die Spuren im Treppenhaus zu beseitigen. Die Frau hatte wohl beim Abtransport verwirrt ihre Hände bewegt, daher hatten auch einige Fliesen an der Wand einen ordentlichen Wischer abbekommen. Wir wurden so richtig Spitz auf Knopf fertig, mit einer Ausnahme: Das Blut auf dem Veloursläufer im Treppenhaus schafften wir nicht. Und wir konnten ihn auch nicht in die Reinigung bringen: Der Läufer war mit dem Boden verklebt, aufwendig festgeschraubt und zudem jeweils an den Ecken vernäht, der Läufer zog sich sozusagen in einem Stück vom Erdgeschoss bis unters Dach.
    Andererseits war er per se schon mal rot, insofern konnte es der Sohn wohl verkraften, wenn er nicht zu genau hinsah. Und wenn er erst mal in der Wohnung war, hatten wir wieder mehr Zeit. So kam es auch. Ich konnte dem Vater gerade eben die saubere Toilette übergeben, er war reichlich paralysiert, aber dennoch sah er so verdutzt in den blitzblanken Schlauch, als könnte er es kaum glauben, was am Vormittag tatsächlich passiert war. Die Wände waren sauber und unauffällig übermalt, von der Wohnung her hätte die Mutter ihren Suizid auch mit Schlaftabletten probiert haben können.
    Dann schickte ich Helga nach Hause und machte mich an den Teppich im Treppenhaus.
    Es war eine Heidenarbeit, und sie funktionierte überhaupt nicht. Ich kroch im Flur herum, tupfte mich dumm und dusslig, nach der Methode hätte ich eine ganze Woche da herumkrabbeln können. In meiner Not rief ich meinen Großhändler für Reinigungsmittel und -bedarf an, ob er nichts Wirksameres hätte. Er empfahl mir ein Sprühextraktionsgerät. Er könnte mir sofort eines zum Probieren geben.
    Um es kurz zu machen: Das Ding war sensationell.
    Ich hatte bisher noch nie eines verwendet. Für alle Nichtreiniger: Diese Wunderkiste, die es von mehreren Herstellern gibt, ist genau genommen so etwas wie Eimer, Schrubber und Aufnehmer in einem. Man kann es sich vorstellen wie einen Staubsauger mit zwei Wassertanks, einem leeren und einem vollen. Im vollen Tank ist sauberes Wasser, das man mit Reinigungsmittel versetzen kann. Der andere Tank ist leer. Während man den Saugkopf am Boden herumschiebt wie beim Staubsaugen, sprüht eine kleine Düse das Reinigungswasser dazu, das dann sofort mit dem Dreck vom Boden weggeschlürft wird. Mit Teppichen geht das nicht ganz so glatt, die nehmen mehr Flüssigkeit auf, aber das Prinzip ist dasselbe. Und im Vergleich zu meiner Tupferei war das ein Unterschied wie Tag und Nacht. Ich arbeitete auf Knien weiter, mit der Handdüse, man musste an dem leicht eingetrockneten Blut ja auch noch etwas reiben, um es zu lösen – trotzdem: Man sah sofort Fortschritte. Das war sagenhaft.
    Aber die Schrubberei auf den Knien hat mich trotzdem kaputt gemacht. Nachdem ich fertig war und das letzte Mal nach unten gegangen bin, hat’s mich auf dem letzten Treppenabsatz richtig umgehauen, so weiche Knie hatte ich. Ich bin den Absatz runtergeflogen, mit dem Kreuz knallte ich auf diese Holzschnecke am Ende des Treppengeländers, dass mir die Luft weggeblieben ist. Ich lag mindestens eine Minute da unten im Hausflur wie ein Maikäfer auf dem Rücken, alles tat mir weh – was auch wieder beruhigend ist, vom Standpunkt des Rettungsassistenten aus: Wenn alles weh tut, sind wenigstens auch noch alle Nerven in Ordnung.
    Am Tag nach diesem Einsatz habe ich sofort eines dieser Sprühextraktionsgeräte gekauft. Wenn wir’s schon vorher gekannt hätten, hätten wir wohl die ganze » Bonnie-Situation« noch pünktlicher hinbekommen. Ganz wie im Film.

6 . Gleichgültig
    Schwachsinn kann vor Gericht ein mildernder Umstand sein. Ob erworben oder angeboren, in jedem Fall sagt das Gericht häufig, dass jemand nicht die ganze Verantwortung für seine Tat übernehmen kann, wenn er weder die Tat noch seine Verantwortung völlig begreifen konnte. Das

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