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Kein Job fuer schwache Nerven

Kein Job fuer schwache Nerven

Titel: Kein Job fuer schwache Nerven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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nicht, also sammelten sie sie einfach wieder ein, wie einen Gegenstand, die Tochter immer mit dabei, und dann fuhren sie mit den Leichen zu einem Weiher, um sie zu vergraben. Das war ihnen aber schnell zu mühsam: Rund um den Weiher wuchsen jede Menge Fichten, und Fichten sind Flachwurzler. Das heißt, wenn man hier graben will, stößt man nicht auf Erde, sondern auf ein dichtes Wurzelnetz, das man mit Schaufel oder Spaten kaum durchstechen kann. Also nahmen sie die Leichen und fuhren wieder nach Hause, zum Tat-Haus.
    Dort drängte allmählich die Zeit. Der Bruder des Mädchens hatte angerufen, er konnte jeden Augenblick auf die Idee kommen, die Eltern zu besuchen, und noch waren die Spuren nicht beseitigt. Also verscharrten sie die Leichen im hauseigenen Gemüsebeet. Nicht besonders tief, praktisch schon am hellen Tag, es war nämlich bereits fünf oder halb sechs Uhr morgens. Der Briefträger hat sie sogar schaufeln sehen. Anschließend hatten sie den sensationellen Einfall, das Auto der Eltern beim nächsten S-Bahnhof abzustellen und zu behaupten, die beiden wären weggefahren. Wohin? Warum? Egal.
    Vielleicht geht es ja nur mir so, aber mir kommt diese Schlamperei so vor, als hätte man die Toten hinterher noch besonders schäbig behandelt. Ich weiß, das klingt seltsam, denn kann man jemanden schäbiger behandeln, als ihn zu ermorden? Aber in diesem Fall, mit dieser schlampigen Wurschtigkeit, kann ich es einfach nicht anders bezeichnen. Und die Schlampigkeit kann man auch nicht anders nennen: Gebracht hat das Ganze nämlich überhaupt nichts – als der Bruder irgendwann ins Haus kam, hat er sofort die Polizei alarmiert. Und als ich mich dort umsah, wusste ich auch, wieso.
    Das hat mich erst so richtig wütend gemacht. Im Garten war noch das geöffnete Gemüsebeet, notdürftig mit Planen abgedeckt. Viel Mühe können sie sich nicht gemacht haben, viel tiefer als einen halben Meter ging da nichts. Da ist niemand vergraben worden, hier, im Gemüsebeet, wurden zwei Menschen hastig verscharrt. Und genauso sah das Haus von innen aus. Als wären die Leichen, als wären die Spuren des Mordes nicht mal der Beseitigung wert.
    Das Erste, was mir auffiel, gleich innen an der Wand, waren die seltsamen dunklen Flecken. Ich habe sie nicht gleich erkannt, weil sie nicht aussahen wie die Blutflecken, die ich gewöhnlich sehe. Sie waren verwischt und mit einem milchigen Schleier überzogen. Sie befanden sich gleich innen, hinter der Diele, an der Türeinfassung, zwischen Türrahmen und dem Telefontischchen, dick, dunkel, eingetrübt, aber gut handbreit sichtbar. Sie waren an der Wand, dicke, trübe Spritzer. Und sie waren auf Anhieb an der Wendeltreppe zu erkennen, sie zogen sich an der Wand die Treppe entlang nach unten in den Keller und an der Wand entlang nach oben in den ersten Stock. Und ich stutzte noch immer, als Helga unten aus dem Keller hochschrie:
    » Wie hast du denn die Farbe schon hergebracht? Warst du schon mal hier?«
    Unten im Keller stand ein Fünf-Liter-Eimer Wandfarbe. Das dämliche Duo hatte tatsächlich die Wände bereits neu gestrichen, das heißt: natürlich nicht die Wände, sondern halt mal so übers Blut drüber. Erst notdürftig abgewischt und dann mit der Farbe drübergekleckst wie zwei Fünfjährige. Sie vertuschten diesen Doppelmord nicht besser als eine abgeschriebene Hausaufgabe. Dabei hatte sich der 21-Jährige beim Morden deutlich mehr Mühe gegeben, wie wir jetzt an den Spuren erkennen konnten.
    Er hatte den Vater wohl im Eingangsbereich erwischt, er hatte den Ausweg durch die Wohnungstür versperrt und mit dem Messer auf ihn eingestochen. Dann war der Vater in den ersten Stock geflohen. Es hatte ihn nicht gerettet. Die Wände waren voller Blutspritzer, richtig dicke Spritzer, wie sie aus einem Eimer herausschwappen. In Knöchelhöhe. Als hätte jemand auf einen Menschen eingestochen, der sich ohnehin nur noch auf Knien oder kriechend die Treppe hoch kämpft. Den Toten hatte er dann nach unten geschleift, das Blut führte vom Erdgeschoss in den Keller, ein einziges schmieriges Wischen durchs Treppenhaus hindurch, nicht innen an den Geländerstangen, sondern immer außen an der Wand entlang. Das erklärte aber nur einen Teil der Blutspuren an den Wänden des Kellers.
    Sicher, manches war von den Treppenstufen oben heruntergetropft. Manches vielleicht auch von der Wand oben. Auf die Bilder von Trucks und Motorrädern, die der Vater so gemocht hatte. Aber hier im Keller klebte zu viel Blut, und

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