Kein Job fuer schwache Nerven
dieser Wohnung auf sie wartet und warum …?
Das habe ich den Notar natürlich nicht gefragt. Wie ich ihn überhaupt nicht behelligt habe. Ich habe ihm per E-Mail eine Rechnung gestellt, wir waren samt Renovierung und allem knapp im fünfstelligen Bereich, aber er hat alles bezahlt und war so zufrieden wie die Vermieterin. Die hat nicht gerade geweint vor Freude, aber sie war hellauf begeistert, weil sie die Wohnung fast nicht mehr wiedererkannt hat.
» Ich hätte echt nicht gedacht, dass man das noch mal hinkriegt«, sagte sie immer wieder. Und damit war die Geschichte erledigt.
Für alle außer uns Grüblern.
16 . Betreutes Wohnen
Betreutes Wohnen ist eine tolle Sache für alte Menschen. Der Gedanke dabei ist der, dass man im Alter, wenn das normale Leben ziemlich mühsam wird, in etwas Ähnliches wie ein Altenheim zieht, das aber keines ist. Sondern mehr eine Wohngemeinschaft von lauter alten Menschen, die zwar Hilfe brauchen, aber eben längst nicht so viel Hilfe, dass sie nicht mehr alleine leben könnten. Und manche Senioren brauchen überhaupt keine Hilfe, aber sie beruhigt der Gedanke, dass ihnen im Falle eines Falles geholfen würde. So weit die Theorie. In der Praxis sieht alles etwas anders aus. In der Praxis haben die Menschen, d ie Ka ndidaten fürs betreute Wohnen sind, vor allem Angst.
Sie haben Angst, weil sie ihre gewohnte Umgebung verlassen sollen und weil sie – nicht ganz zu Unrecht – davon ausgehen, dass das betreute Wohnen nicht der Start in ein neues Leben ist, sondern eher in die Finalrunde des alten Lebens. Letzteres ist natürlich ein kleiner Selbstbetrug: Diese Finalrunde fängt ja in der guten alten Wohnung im vierten Stock ohne Lift genauso an, der einzige Unterschied ist, dass man da den Startschuss nicht hört. Aber die größte Angst dieser Menschen ist die, dass sie ihre Selbstständigkeit aufgeben und allen Behauptungen der Werbebroschüren zum Trotz eben doch alle fünf Minuten eine Krankenschwester oder Altenpflegerin ins Zimmer kommt und ihnen auf die Finger schaut. Ich weiß es aus erster Hand: Das ist nicht so.
Uns hatte eine Dame angerufen: Ihr Vater sei vor zwei Tagen verstorben. Er war 85, er hatte im Altenheim gelebt.
» Na ja«, sagte ich, » aber da sterben ja sicher öfter Leute. Nicht, dass ich Ihnen ausreden wollte, uns den Auftrag zu geben, aber brauchen die im Altersheim wirklich jemanden wie uns?«
» Wahrscheinlich wegen der Unordnung«, sagte sie. Ihr Vater sei ein wenig schlampig gewesen, und es rieche auch so unangenehm dort, sie meine schon, dass das ein Auftrag für uns wäre.
Insgesamt kam mir das alles irgendwie seltsam vor. Aber gut, Auftrag ist Auftrag, also bot ich ihr an, den Einsatzort mit ihr zu besichtigen. Sie wiederum weigerte sich, auch wegen des Geruchs. Ich dachte mir, dass die Dame ganz schön pingelig sei, das mit dem Geruch konnte nach zwei Tagen ja wirklich nicht stimmen, vermutlich war’s nur Angst oder Ekel oder so was. Also holte ich mir bei ihr den Schlüssel ab und fuhr hin. Eine Pflegerin führte mich dann zu der kleinen Wohnung.
Die Wohnung lag im Erdgeschoss. Sie war tatsächlich ziemlich vollgerümpelt, diesmal aber nicht mit dem üblichen Quatsch, sondern ausschließlich mit Elektroschrott. Fernseher, teilweise zerlegt, Stereoanlagen-Komponenten, irgendwelche elektronischen Messgeräte – ein bisschen sah die Bude aus wie die Superschurkenzentrale in einem James-Bond-Film aus den 1960er-Jahren, aber das hier war wohl mehr so ein Strickjacken-Schurke gewesen, eine Art ganz, ganz böser Helmut Kohl. Der Boden war übersät mit einer Art Kabelsalat bis auf die Stelle vor der Terrassentür. Hier befanden sich auf dem Laminatboden ein kleiner Teppich und ein gigantischer Fleck Leichenflüssigkeit. Und es roch zum Steinerweichen, sofort, als man zur Tür hereinkam.
» Sagen Sie mal«, sagte ich ein wenig angefressen zu der Pflegerin, » das machen Sie mir aber nicht weis, dass hier jemand nur zwei Tage lang gelegen hat!«
» Nein«, antwortete sie, » da haben Sie schon recht. Der Herr hat zehn Tage lang hier gelegen. Wir wollten das seiner Tochter nur nicht sagen. Das klingt ja doch recht hart.«
Das fand ich auch. Da wohnt einer im betreuten Wohnen, umgeben von Pflegern und Ärzten, und keiner merkt, dass er stirbt. Ich hab’ aber erst mal die Klappe gehalten. Ich wollte ja schließlich den Auftrag haben. Und letztlich war’s gut, dass ich nichts gesagt habe. Aus zwei Gründen.
Der erste Grund war, dass der Tochter
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