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Kein Job fuer schwache Nerven

Kein Job fuer schwache Nerven

Titel: Kein Job fuer schwache Nerven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Mann hinzu, » und wir würden es gerne so lassen. Das hier«, und dabei führte er mich zur Hintertreppe, » das hier muss sie so nicht mitbekommen.«
    Die Hintertreppe endete an einer Tür mit einem Fenster aus altmodischem Sicherheitsglas. Das Fenster war eingeschlagen worden, von der Frau des jungen Mannes, der Tochter des Hauses. Da hatte sie schon Angst bekommen, dass keineswegs alles so friedlich war, wie man es von einem sommerlichen Familienmittagessen erwartet.
    Sie waren alle gekommen, weil ihr Vater sie dazu eingeladen hatte. Seine Tochter mit ihrem Mann und ihrem Kind, seinen Sohn und dessen Freundin. Seine Frau, die friedliche Dame in der Hollywoodschaukel, hatte gekocht, der Tisch war schon gedeckt. Aber das Wetter war extrem wechselhaft, und weil keiner den Wolken traute, beschloss die Gesellschaft, nach drinnen umzuziehen. Sie hatten Geschirr und Besteck und Gläser samt Tischdecken eingesammelt, alles auf den Tisch im Esszimmer verfrachtet und waren bereit, das Essen zu servieren, aber der Vater fehlte auf einmal. Und sofort hatten alle ein schlechtes Gefühl.
    Obwohl der Schwiegersohn erzählte, dass der krebskranke Vater erst seit zehn Minuten vermisst worden war, war niemand auf die Idee gekommen, erst mal an sämtliche Toiletten- oder Badezimmertüren zu klopfen. Der Schwiegersohn war sofort ins Auto gesprungen und hatte die nähere Umgebung abgefahren. Und die Tochter hatte alle Räume des Hauses abgesucht. Dabei hatte sie festgestellt, dass die Tür zum Keller verschlossen war. Deswegen war sie auch wieder rausgerannt, um das Haus herum, zum Hintereingang. Hier konnte sie die Glasscheibe der Tür einschlagen und das Loch Stück für Stück so lange erweitern, bis sie hindurchsteigen konnte.
    » Passen Sie da durch?«, fragte der Schwiegersohn.
    » Kein Problem«, sagte ich. Ich griff durch die kaputte Scheibe, drehte den Schlüssel herum und öffnete mit einem Handgriff die Tür. Wenn die Tochter in ihrer Panik nur einen Moment Zeit zum Nachdenken gefunden hätte, hätte sie natürlich auch gemerkt, dass das so viel schneller ging. Einen Unterschied für den Vater hätte das freilich nicht gemacht, es hätten nur weniger Scherben auf dem Boden gelegen.
    Sie hatte ihn in der Werkstatt gefunden. Das mit der Werkstatt war wohl so vorgesehen gewesen.
    Das mit dem Blutbad nicht.
    Fest stand, dass der Vater sich zunächst in der Küche ein Messer organisiert hatte. Warum er aber das Messer genommen hatte, das jetzt vor mir auf dem blutigen Fußboden lag, war mir schleierhaft. Wer ein bisschen in der Küche zugange ist, weiß, dass es in Küchen Messer unterschiedlichster Länge und Schärfe gibt. 35-Zentimeter-Fleischermesser, 25-Zentimeter-Brotmesser, Steakmesser, Besteckmesser. Vielleicht hatte seine Familie die großen Messer auch schon weggeräumt, jedenfalls hatte er sich für so eine Art Obstmesser entschieden, nicht mit einer ganz kurzen Klinge, aber mehr als zwölf oder 15 Zentimeter lang war die Klinge trotzdem nicht. Dieses Messer hatte er dann in seinen Werkstattraum mitgenommen und sich entschlossen in die Brust gerammt, und zwar dahin, wo er das Herz vermutete.
    Da war es aber nicht.
    Das Herz liegt gar nicht so weit links, wie die meisten Menschen denken. Es ist nicht so einfach zu treffen und auch nicht so leicht kleinzukriegen – wie der Mensch überhaupt nicht so leicht stirbt, wie Otto Normalselbstmörder manchmal meint. Jedenfalls saß der 64-Jährige jetzt da, mit dem Messer in der Brust. Manchmal tut das so weh, dass Selbstmordkandidaten daraufhin ihr Vorhaben abbrechen. Der Mann nicht. Er stand in seiner Werkstatt und suchte verzweifelt nach einem Ausweg, nach einer Alternative, die sicher war und schnell und auf jeden Fall noch funktionierte, bevor ihn seine Familie finden und retten konnte. Und wenn ich mal versuchte, mich in diese Situation reinzuversetzen, und mich in seiner Werkstatt umsah, da wären mir schon einige Möglichkeiten in den Sinn gekommen, keine von ihnen schön, aber immerhin zweckdienlich – es wäre mir jedoch nicht mal als Allerallerletztes eingefallen, auf die Reciprosäge zurückzugreifen. Aber vielleicht tickt man auch ein wenig anders, wenn einem grade ein Messer zehn Zentimeter tief in der Brust steckt.
    Heimwerker wissen sofort, was gemeint ist, doch für alle anderen: Die Reciprosäge ist eine große Elektrosäge. Es ist keine Kreissäge mit rundem Sägeblatt, auch keine Stichsäge, die sich mit einem fünf oder sieben Zentimeter langen

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