Kein Job fuer schwache Nerven
Kunststofftaschen, dazwischen Lebensmittelverpackungen aus dem Supermarkt, eine leere Kunststoffhülle für einen Kuchen » Apfel-Streusel«, weitere Scheibenschinken-Hüllen, aber vor allem schien sich die Dame von Ritter-Sport-Schokolade » Vollmilch-Nuss« ernährt zu haben, zuzüglich riesiger Mengen von Kinderschokolade in Form von Riegeln und Schoko-Bons. Um die Kalorienzufuhr zu kontrollieren, so stellte sich langsam heraus, trank sie ausschließlich Cola light und Cola Zero. Ich kam angesichts der abstrusen Mischung langsam ins Grübeln, welche Figur man wohl mit dieser Diät bekommen würde. Oder zu erhalten versuchte. Vielleicht interpretierte ich aber auch mehr in das Ganze hinein als die Mieterin selbst: Neben dem ganzen Müll lag das Buch vom Fitnesspapst Ulrich Strunz Frohmedizin . Womöglich war das hier eine zwanglose Form von » Frohhygiene«.
Das Wohnzimmer nebenan erkannte man noch am ehesten am Sofa, das am Fenster stand. Ein billiges Ausziehsofa, dessen Ausziehteil abmontiert worden war und senkrecht an die Wand gelehnt stand. Der Grund war ein eigenwilliges Ordnungsprinzip: Den entstandenen Leerraum unter dem Sofa hatte die Mieterin mit Müll gefüllt. Mit Lebensmittelpackungen, Schokoladenpapier, leeren Flaschen kalorienfreier Cola und Dutzenden Zigarettenschachteln, » John Player Special«, die roten. Die Kippen dazu waren fein säuberlich auf dem Fensterbrett hinter dem Sofa ausgedrückt worden. Auf dem Sofa lag eine schmuddelige Decke, auf der nur mehr einer sitzen mochte: ein noch in der Plastikfolie befindlicher Kopf Eisbergsalat. Weil binnen Kurzem wohl kein Platz mehr unter dem Sofa gewesen war, hatte sich die Dame als Alternative überlegt, den Müll schlichtweg daneben zu lagern, zwischen Sofa und Wand, dort, wo sie auch die Polster des Sofas hingeschmissen hatte, rund um einen weiteren umgefallenen Kunstlederstuhl. Dort türmten sich Unmengen von Papptellern, abgenagte Reste von Paprikaschoten, weniger stabile, dafür leere Plastiktüten, die offenbar nur zum Einkaufen verwendet worden waren, und zwei weitere Kot-Kleidungs-Taschenpakete. Dazwischen fanden sich immer wieder Chipstüten und weitere Fläschchen und Tuben hochwertiger Kosmetika. Vor dem Sofa lagen jede Menge Slips, BH s, ein pinkfarbenes Bustier und eine Tube mit – ausgerechnet – Selbstbräuner. Ich dachte mir etwas nicht sehr Witziges, aber Naheliegendes, zumal tatsächlich in der Nähe, direkt vor dem Sofa, auf einer ausgebreiteten Werbezeitung sich eine weitere gut verdaute Hinterlassenschaft befand. Eine Jeanshose lag noch zusammengeknüllt mitten in der Bescherung. Ich war der Ansicht, dass vom Wohnzimmer unmöglich noch größere Attraktionen zu erwarten waren und wechselte in die Küche.
Man musste sich immer wieder vor Augen halten, dass auch diese Küche ebenso wie der Rest der Wohnung vor einem halben Jahr absolut neuwertig gewesen war. Jetzt war hier offenbar das Zentrallager für die stabilen Kot-Kleidungspakete errichtet worden. Die Anrichte versank unter leeren Schachteln, Zigarettenkippen und immer wieder eingestreuten teuren Kosmetikartikeln. Wenn man den eingebrannten Herd etwas freiräumte, bekam man den Eindruck, die letzte dort zubereitete Mahlzeit war ein Zigarettenkippen-Wattestäbchen-Frikassee, garniert mit Nagellack. Hier, unter einem Berg von Schutt, Schachteln und Exkrementen fand sich der letzte der vier Kunstlederstühle. Er stand vor einem Tisch, auf dem man vieles nicht hätte tun wollen, aber am allerwenigsten essen. Und schon gar nichts aus dem Kühlschrank: Der war voller Lebensmittel, Obst, Putenfleisch, eingekauft ohne Sinn und Verstand und dann im Kühlschrank so lange endgelagert, bis auf allem eine gleichmäßige Schicht von Schimmel und Obstfliegen lag. Der Zustand der Lebensmittel rührte zum Großteil daher, dass es der Dame nie gedämmert hatte, dass man für Tiefkühllebensmittel auch ein Tiefkühlfach braucht.
Ich hatte genug gesehen. Ich rief den Notar an und sagte ihm, dass es teuer werden könnte. Schließlich ist es ein Unterschied, ob man eine Wohnung nur sauber und geruchsfrei haben will oder in einem Zustand, in dem sie der Vermieter sofort weitervermieten kann. Er sagte, das sei in Ordnung, und gab uns freie Hand, alles Nötige zu organisieren. Wir sind daraufhin zu viert in diese Zwei-Zimmer-Wohnung angerückt: Petra, Klaus, Hardy und ich. Und keiner von uns hat seither zu grübeln aufgehört.
Nicht, weil sie so kompliziert zu reinigen gewesen wäre. Das
Weitere Kostenlose Bücher