Kein Job fuer schwache Nerven
Sägeblättchen so ähnlich durch Sperrholzbretter arbeitet wie eine Nähmaschine. Es ist auch keine Kettensäge wie aus dem Horrorfilm. Es ist so was Ähnliches wie ein elektrischer Fuchsschwanz: Sie hat nur ein einzelnes Sägeblatt, das 20 oder 30 Zentimeter lang aus dem Elektrogehäuse ragt, und das vom Elektromotor vor- und zurückbewegt wird. Die Sägebewegung geht, je nach Modell, 20 bis 30 Millimeter hin und her. Bis zu 2000-mal pro Minute. Das schien dem Mann ideal. Leider war die Säge – wie alle gefährlichen Elektrowerkzeuge – mit einem Totmannschalter gesichert. Der bewirkt, dass die Reciprosäge nur so lange arbeitet, wie man auf den Schalter drückt. Damit sich die Säge sofort abschaltet, wenn man sich zum Beispiel versehentlich in den Finger schneidet und sie vor Schreck loslässt. Genau diesen Effekt wollte der Selbstmörder natürlich vermeiden. Also holte er sich eine Schraubzwinge, um damit den Schalter in der gedrückten Position festzuklemmen.
Jetzt, wo er sichergestellt hatte, dass die Säge weitersägen würde, kam die nächste Frage: Was von sich wollte er mit ihr überhaupt zersägen? Und, nachdem eine Säge kein Star-Wars-Lichtsäbel ist und zum Zersägen eine gewisse Zeit brauchen würde: Wie konnte er sicherstellen, dass die Säge am richtigen Ort weitersägte, selbst wenn er bewusstlos würde?
Seine Lösung sah so aus: Er hatte einen weißen, knapp kniehohen Plastikschemel genommen und ihn umgedreht, mit der Sitzfläche zum Boden gekehrt. Die Elektrosäge hatte er mit den Sägezähne nach oben mit weiteren Schraubzwingen so an einem Schemelbein festgeklemmt, dass die Klinge stabil zwischen den beiden nach oben ragenden Beinen einer Schmalseite des Schemels verlief. Dann steckte er den Stecker in die Steckdose.
Er selbst war vor den anderen beiden, sägenlosen Schemelbeinen in die Knie gegangen, hatte sich über sie gebeugt, um mit seinem Gewicht zu verhindern, dass der Schemel kippte, und hatte sich mit dem Hals in die Elektrosäge zwischen den beiden Schemelbeinen gegenüber gestürzt.
Ob der weitere Verlauf seinen Vorstellungen entsprochen hatte, kann ich nicht beurteilen, aber das Endergebnis war auf jeden Fall das, was er sich erhofft hatte. Als wir die Werkstatt betraten, fanden wir eine riesige Blutlache, den weißen Schemel mittendrin, das Messer daneben. Die Säge lag am Boden, die Schraubzwinge war vom Totmannschalter gerutscht. Das Sägeblatt fehlte – man kann annehmen, dass es für die Bestatter wohl einfacher gewesen sein dürfte, das Sägeblatt mit zwei simplen Handgriffen aus der Halterung der Säge zu entfernen als aus seiner Wirbelsäule, wo es sich vermutlich festgefressen hatte. Dinge abzusägen geht in der Baumarktwerbung meist leichter als in der Realität.
Vom Reinigungsaufwand her war der Auftrag überschaubar. Es ist einfach ein Unterschied, ob man sich von unten nach oben mit einer Schrotflinte in den Mund schießt oder den Kopf absägt. Und wenn man Letzteres tut, ist es wiederum ein Unterschied, ob man es in Schulterhöhe macht, in Hüfthöhe wie an einem ganz normalen Arbeitstisch oder in diesem Fall 30 Zentimeter über dem Fußboden, wobei man noch große Teile des Raumes mit seinem eigenen gebückten Körper abschirmt. Obendrein hatte der 64-Jährige den Boden mit schweren Kunststoffmatten ausgelegt, flüssigkeitsdicht, mit hohen Noppen, sodass sich hier große Mengen des bereits großzügig verklumpten Bluts reinigungsgünstig angesammelt hatten. Die Matten konnten wir einfach behutsam abheben, dann war die Bodenreinigung im Wesentlichen eine Wischtätigkeit, bei der unser Eiweißlöser gute Dienste leistete.
Die eigentliche Arbeit bestand darin, die gesamten Werkzeuge zu reinigen. Einen elektrischen Bohrer, der über und über voll vertrockneter Blutspritzer ist, reinigt man schon, eine alte Schutzbrille, Kostenpunkt 1,39 Euro, wirft man selbstverständlich weg. Die Schränke rundum, die Fronten und Schubladen, werden desinfiziert und gereinigt, aber eine Pappschachtel mit Schrauben nicht mehr. Dennoch waren die Werkzeugkästen, die erhaltenswerten Kleinteile schon eine ziemlich wischintensive Fieselei. Es gibt ja Heimwerker, deren Werkstatt so geordnet aussieht wie ein Briefmarkenalbum: die Feilen, die Schraubenschlüssel, die Schraubenzieher, alles nebeneinander, der Größe nach sortiert und picobello geputzt – das war hier nicht der Fall.
Ich wollte, dass in der Werkstatt nichts mehr an das Unheil erinnerte. Und dass die Witwe nicht an
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