Kein Kind ist auch (k)eine Lösung
sein. Ja, und in den ersten Wochen kann es bestimmt auch mal etwas anstrengend sein. Da muss man sich außerdem erst mal neu finden, als Familie, aber irgendwann spielt sich das doch ein. Meine Kollegin erwartet gerade ihr drittes, da habe ich noch nie ein Wort der Verzweiflung gehört. Und meine Schwester ist auch glücklich mit ihren zwei Kindern. Vielleicht haben deine Freundinnen auch einfach Pech gehabt in ein paar Punkten.«
Das konnte man wohl so sagen. Aber darum ging es jetzt nicht.
»Deine Schwester lebt auch mit deinen Eltern in einem Haus und kann ihre Kinder jederzeit eine Etage nach unten schicken, wenn ihr alles zu viel wird. Das ist aber nicht der Normalzustand. Wenn Hanne ihre Kinder mal loswerden will und eine Etage nach unten schickt, stehen sie auf der Straße. Das macht keinen guten Eindruck.«
Und überhaupt, da kam mir noch ein ganz anderer Gedanke: Wer sollte sich um das Kind kümmern? Wer es bekommen würde, war klar, aber wer machte den Rest? Da gab es ja noch ein paar Jahre zu füllen, bevor so ein Kind auszog.
»Möchtest du eigentlich deinen Job aufgeben und Windeln wechseln? Oder erwartest du das dann von mir?«
Micha sah aus, als würde ich gleich die Schüssel aus dem Bad holen müssen. Er war eine Nuance zu blass um die Mundpartie. Aber er behielt brav alles bei sich bis auf seine Fragen.
»Als du Karlotta neulich nachts im Arm hattest, hast du da gar nichts empfunden? Was hast du denn da gedacht?«
»Da habe ich mich nur gefragt, warum ich Ilka nicht noch deutlicher klargemacht habe, dass Max ein Egoist ist und sie sich das mit der Schwangerschaft ernsthaft überlegen sollte.«
Ich trank den Rest. War das zu hart?
»Um dich zu beruhigen: Ja, ich finde Babys auch süß und niedlich. Natürlich. Das ist ja auch nicht das Thema. Ich habe sicher auch keinen Gendefekt, sondern nur einen Höllenrespekt vor dem, was dann kommt. Da kommt nämlich nicht nur ein Kind, da kommen schlaflose Nächte und Abende, an denen wir erst einmal nicht im Restaurant sitzen, um nur ein Beispiel zu nennen. Dann gibt es Urlaube in Familienhotels statt auf den Fidschis, in denen man dem Kind hinterherläuft statt …«
Mir fiel nichts ein.
Mist.
»Statt sich auf der Liege am Pool zu entspannen. Von so einer Geburt mal ganz abgesehen … Achtundvierzig Stunden Wehen und dann doch ein Kaiserschnitt. All diese Geschichten habe ich mir in den letzten Jahren bis ins letzte Detail anhören dürfen. Vermutlich hätte ich das nicht tun sollen. Ich will weder PDA noch eine Saugglocke oder einen Dammschnitt. Glaub mir, das ist was anderes als einen Hund zu kriegen.«
Waltraud legte ihre Schnauze auf meinen Schoß und sah mich mit ihren großen Kulleraugen an. Wenigstens sie schien meinen Standpunkt zu teilen.
»Das hast du mir nie so gesagt.«
»Was habe ich dir nie so gesagt?«, fragte ich.
»Wie du über eigene Kinder denkst.«
»Du hast ja auch nicht gefragt.«
Stille.
Diese Stille war nicht angenehm. Sie war erdrückend. Mich überkam plötzlich die Panik, dass das hier ein größeres Problem war.
»Vielleicht fehlt mir einfach das Ich-muss-jetzt-sofort-ein-Kind-kriegen-Gen, mag sein.« Ich streichelte Waltraud und sah sie die ganze Zeit an, während ich sprach, als unterhielte ich mich mit ihr. »Vielleicht will ich auch einfach nicht so werden wie die, über die ich mich wundere. Vielleicht hab ich ja auch ein Problem mit Veränderungen. Kann alles sein. Mein Chef hat mal gesagt, als ich einen Vorschlag zu einer Änderung im Programm machte: ›Warum sollen wir an der Sendung etwas ändern? Die Quoten stimmen doch!‹ Und irgendwie hat er recht, finde ich.«
Himmel hilf! Was war denn nun kaputt? Jetzt mussten mir auch noch Tränen übers Gesicht laufen. Na, herrlich. Ich wischte sie weg, bevor er sie entdecken konnte. So was Albernes.
Ich hatte Angst, durch ein Baby könnte unsere Beziehung den Bach runtergehen, und jetzt tat sie es gerade, weil ich das dachte.
Kinder sind etwas ganz Besonderes. Sie geben einem eine ganz neue Sicht auf die Dinge. Ich habe das nie infrage gestellt …
Gab es eine Lösung für so etwas?
Wenn zwei ein Auto haben wollen, der eine in Blau, der andere in Gelb, was machte man da? Ein grünes kaufen?
Mein Grübeln brachte mich nicht weiter.
»Und nun?«, fragte ich, nicht weil ich eine Antwort erwartete, sondern weil einer von uns etwas sagen musste. Und ich war an der Reihe.
Micha sah aus dem Fenster, als würde da irgendwo die Antwort stehen.
»Meine
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