Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Titel: Kein Kind ist auch (k)eine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Wolf
Vom Netzwerk:
Wohnzimmer.«
    Draußen donnerte es immer schlimmer. Für ein paar Sekunden wurde es vor dem Fenster so hell, dass man die Äste des Baumes sehen konnte, der einige Meter von der Hauswand entfernt stand. Sie bewegten sich hin und her, als würde jemand den Baum kräftig durchschütteln.
    »Ist doch toll, eine Hausgeburt. Wenn es keine Komplikationen gibt, ist das für sie und das Baby bestimmt am entspanntesten.«
    »Am entspanntesten? Ich liege zwar nicht in den Wehen, aber allein der Gedanke, auf meinem schönen Sofa zu entbinden, erzeugt alles andere als Entspannung in meiner Magengegend. Vom Rest mal ganz abgesehen.«
    »Warum das denn? Früher haben alle Frauen ihre Kinder zu Hause bekommen.«
    Den Satz hatte ich doch gerade erst gehört …
    »Ein paar Straßen weiter ist doch auch ein Geburtshaus, da wird es sicher auch nicht anders ablaufen als bei Hanne im Wohnzimmer. Vielleicht haben die noch bequemere Betten oder so, aber letztendlich ist das doch schöner als in einem gekachelten weißen Raum in einer Klinik.«
    »Oh, ich wusste gar nichts von deinen Qualitäten als Geburtshelfer.«
    Keine Antwort. Er wollte das Thema scheinbar schnell abhaken, um sich wieder hinzulegen.
    Zu früh gefreut.
    Er strich mir über den Bauch und küsste mich auf die Wange.
    Was sollte das denn werden, wenn es fertig war?
    Dann drehte er sich weg und schlief ein. Puh.
    *
    Weil Hanne sicher mehr als genug Strampler und Spieluhren hatte, stellte ich ihr gleich am Montag einen großen Korb mit Obst, Saft, Schokolade, einer Gratulationskarte und Massageöl vor die Tür, in der Hoffnung, ihr Mann würde sie nach der Anstrengung mal massieren.
    Dem war allerdings ganz und gar nicht so, wie sich schon nach kurzer Zeit rausstellte.
    Um genau zu sein, nach exakt zwei Wochen. Es war Montag, das allein war schlimm genug. Und dann musste ich auch noch auf dem Weg nach draußen zum einhundertfünfundachtzigsten Mal über Michas Schuhe stolpern. Ich fluchte laut. Als ich damit fertig war, hörte ich Hannes Gebrüll. Worum es genau ging, war mir nicht klar. Ihr vermutlich auch nicht. Aber ich hätte schwören können, dass sie lauter brüllte als bei der Geburt.
    Ausgerechnet in dem Moment, als ich vor ihrer Tür stand, wurde diese aufgerissen, und ein blauer Müllsack landete direkt vor meinen Füßen.
    »Oh, sorry!«
    Hanne hielt die Babyschale des Kinderwagens in der Hand und schaukelte sie umständlich hin und her. Ihre Haare waren ungewaschen, ihre Augen verquollen. Die Babyschale quakte.
    »So schlimm?«, fragte ich.
    »Schlimmer.«
    »Du Arme! Darf ich trotzdem mal kurz …?«
    Ich zeigte auf den Kleinen, der irgendwo zwischen den Decken und Tüchern liegen musste. Sein Organ verriet ihn.
    »Klar.«
    Hanne stellte die Schale ab, was Willi anscheinend so sehr irritierte, dass er vor Schreck kurz aufhörte zu brüllen.
    Bisher hatte ich immer den Eindruck, alle Babys sähen gleich aus. Falsch! Willi war anders. Er sah aus wie sein Vater, nur zu heiß gewaschen. Lustig. Und dann passierte das Unfassbare: Er hörte auf zu quaken, fixierte mich mit seinem Blick und zog den Mundwinkel hoch, den rechten, als würde er das Gleiche denken, was ich eben gedacht hatte: Lustig. Womit er sicher richtiglag, so wie meine Locken schon wieder abstanden.
    Aber das war nicht das Unfassbare. Ich kniete mich zu ihm runter. Auch das war nicht wirklich unfassbar, aber dann passierte es: Ich entdeckte seine Winzfinger und packte zu, er strahlte mich an und da hörte ich es: »Och, ist der süüüß!«
    Süß? Ich zuckte zusammen und sah mich ruckartig um. Keiner da. Außer Hanne. Und Willi, der Wurm.
    Hatte ich das eben gesagt?
    »Alles gut?«, fragte Hanne und sah mich an, als hörte ich Stimmen und bräuchte dringend Hilfe. Dabei war sie das doch, die Hilfe benötigte.
    »Ja, ich … ich kann gern nachher vorbeischauen und dir etwas helfen. Ich muss nur mal eben rausgehen und danach kurz duschen.«
    »Das würde ich auch gern mal.« Sie drehte den Kopf von mir weg in Richtung ihres Wohnzimmers, anscheinend war Phillip da.
    »Aber dafür muss ich ja erst einmal jemanden finden, der mir das Kind abnimmt! «
    Hanne hatte seit Willis Geburt nicht mehr als zwei Stunden am Stück die Augen zugemacht, wie sie mir daraufhin erzählte. Ihr Jüngster verstand den Sinn der Nacht nicht und wollte lieber bespielt werden – oder an die Brust, das war auch okay für ihn. Nur nicht für Hanne.
    Natürlich hatte sie sich das Kind gewünscht. Sie hatte sich aber nicht

Weitere Kostenlose Bücher