Kein Kinderspiel
verschmolz ihre Haut mit dem Bild von Samuel Pietro. Ich berührte ihre Brüste, und sah Corwin Earles schwabbeligen, mit Blut bespritzten Oberkörper. Ich fuhr ihr mit der Zunge über den Bauch und sah das Blut an den Fliesen des Badezimmers, als sei ein Eimer umgekippt worden.
Dort vor der Badewanne hatte ich einen Schock bekommen. Ich hatte alles gesehen, und ich konnte auch weinen, doch ein Teil meines Gehirns hatte sich aus einem Schutzmechanismus heraus abgeschaltet, so daß der wahre Schrecken der Situation vor meinen Augen nicht vollständig verarbeitet worden war. Was ich gesehen hatte, war schlimm, blutig und gewissenlos gewesen - soviel wußte ich -, doch schwebten die Bilder in meinem Kopf wahllos umher, schwebten vor einem Hintergrund aus weißer Keramik und schwarzweißen Fliesen.
In den letzten dreißig Stunden hatte mein Gehirn nur Informationen gesammelt, und jetzt saß ich allein in der Badewanne mit der nackten, mißbrauchten Leiche von Samuel Pietro.
Die Tür zum Badezimmer war verschlossen, ich kam nicht heraus.
»Was ist?« fragte Angie.
Ich rollte von ihr fort und sah durch das Fenster den Mond an.
Mit ihrer warmen Hand streichelte sie mir über den Rücken. »Patrick?«
Ein Schrei erstickte in meiner Kehle.
»Komm, Patrick, sprich mit mir!«
Das Telefon klingelte. Ich hob ab.
Es war Broussard. »Wie geht’s dir?«
Als ich seine Stimme hörte, verspürte ich ein Gefühl der Erleichterung, spürte, daß ich nicht alleine war.
»Ziemlich schlecht. Und dir?«
»Ziemlich beschissen, wenn du weißt, was ich meine.«
»Ich weiß, was du meinst«, erwiderte ich.
»Kann noch nicht mal mit meiner Frau drüber reden und ihr alles erzählen.«
»Geht mir genauso.«
»Hey, Patrick… ich bin noch in der Stadt. Hab’ eine Flasche. Willst du was mit mir trinken?«
»Ja.«
»Ich warte auf dem Ryan-Spielplatz. In Ordnung?«
»Klar.«
»Bis gleich also.«
Er legte auf, und ich wandte mich zu Angie um.
Sie hatte die Decke hochgezogen und griff zu ihren Zigaretten auf dem Nachtschrank. Den Aschenbecher stellte sie in ihren Schoß, zündete die Zigarette an und sah mich durch den Rauch hindurch an.
»Das war Broussard«, erklärte ich.
Sie nickte und zog wieder an der Zigarette.
»Er will sich treffen.«
»Mit uns beiden?« Sie blickte auf den Aschenbecher.
»Nur mit mir.«
Sie nickte. »Dann lauf mal besser los.«
Ich beugte mich zu ihr herunter. »Ange…«
Sie hielt die Hand hoch. »Brauchst dich nicht entschuldigen. Los, lauf!« Mit einem Blick auf meinen nackten Körper fügte sie lächelnd hinzu: »Aber zieh dir erst noch was über.«
Ich hob meine Klamotten vom Boden auf und zog sie an, während Angie mir rauchend zusah.
Als ich aus dem Zimmer ging, drückte sie die Zigarette aus und sagte: »Patrick.«
Ich steckte den Kopf wieder zur Tür herein.
»Wenn du reden willst, dann bin ich ganz Ohr. Ich hör mir alles an, was du loswerden mußt.«
Ich nickte.
»Aber wenn du nicht reden willst, ist es auch okay. Verstehst du?«
Ich nickte wieder.
Sie stellte den Aschenbecher zurück auf den Nachtschrank, wobei die Bettdecke herunterrutschte.
Lange Zeit sagte keiner von uns beiden etwas.
»Nur damit du Bescheid weißt«, sagte Angie schließlich. »Ich bin nicht so wie diese Bullenfrauen im Fernsehen.«
»Was meinst du damit?«
»Ich nerve dich nicht die ganze Zeit damit, daß du endlich reden sollst.«
»Das habe ich bei dir auch nicht erwartet.«
»Die wissen nie, wann es zuviel ist, diese Frauen.«
Ich ging noch einen Schritt vor und sah sie eindringlich an.
Sie schob sich das Kopfkissen unter den Kopf. »Könntest du das Licht ausmachen, wenn du gehst?«
Ich schaltete es aus, doch stand ich noch etwas länger dort und fühlte Angies Blick auf mir.
27
Das war vielleicht ein betrunkener Bulle, den ich da auf dem Ryan-Spielplatz traf! Erst als ich ihn dort auf einer Schaukel sitzen sah, ohne Krawatte, die Anzugjacke zerknittert unter einem völlig sandigen Mantel, ein Schuhband offen, wurde mir klar, daß ich ihn noch nie auch nur ein klein wenig ungepflegt gesehen hatte. Selbst nach der Sache im Steinbruch und dem Sprung an die Kufen des Hubschraubers hatte er tadellos ausgesehen.
»Du bist Bond«, sagte ich.
»Hä?«
»James Bond«, erklärte ich. »Du bist James Bond, Broussard. Der perfekte Gentleman.«
Er grinste und trank den letzten Rest aus einer Flasche Mount Gay. Dann warf er sie in den Sand und holte eine neue aus dem Mantel, die er sofort
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