Kein Kinderspiel

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Autoren: Dennis Lehane

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und ihnen die Zähne rausgezogen, als sie weich wurden. Anschließend haben sie die Knochen in Kisten mit ätzendem Kalkstein gelegt.«
    »Warum haben sie sie im Keller aufbewahrt?«
    »Damit sie sie zwischendurch mal angucken konnten?« schlug Broussard vor. »Woher, zum Teufel, soll ich das wissen?«
    »Eine von beiden könnte also Amanda McCready sein?«
    »Auf jeden Fall. Oder sie liegt im See im Steinbruch.«
    Ich dachte über den Keller und Amanda nach. Über Amanda McCready und ihre ausdruckslosen Augen, über ihre eingeschränkten Aussichten auf all die Dinge, auf die Kinder die größten Chancen haben sollten. Über Amandas leblosen Körper, der in eine mit Säure gefüllte Wanne geworfen wurde, über ihr Haar, das ihr wie Pappmache vom Kopf abstand.
    »Eine Wahnsinnswelt«, flüsterte Broussard.
    »Die Welt ist absolut beschissen, Remy. Verstehst du?«
    »Vor zwei Tagen hätte ich dir da noch widersprochen. Ich bin Bulle, okay, aber eigentlich habe ich Glück gehabt. Ich hab’ eine tolle Frau, ‘n schönes Haus, hab’ das Geld über die Jahre gut angelegt. Und den ganzen Scheiß hab’ ich bald hinter mir, wenn eines Morgens der Wecker klingelt und ich die zwanzig Jahre rumhab’.« Er zuckte mit den Achseln. »Aber dann passiert so was wie dieses… dieses zerlegte Kind in diesem verfluchten Badezimmer, und plötzlich denkt man, toll, ich hab’ ein Superleben, aber für viele Leute ist die Welt doch nichts weiter als ein Haufen Scheiße. Auch wenn die Welt für mich in Ordnung ist, ist sie für eine Menge Leute einfach die Hölle. Weißt du, was ich meine?«
    »O ja«, erwiderte ich. »Ganz genau.«
    »Nichts funktioniert.«
    »Wie meinst du das?«
    »Nichts funktioniert«, wiederholte er. »Verstehst du das nicht? Autos, Waschmaschinen, Kühlschränke und Hypotheken, Schuhe, Klamotten und so… nichts funktioniert. Die Schulen funktionieren nicht.«
    »Die öffentlichen wenigstens nicht«, schränkte ich ein.
    »Die öffentlichen? Dann guck dir mal die Idioten an, die heutzutage von den Privatschulen kommen! Hast du schon mal mit einem von diesen affektierten Affen gesprochen? Frag die mal, was Moral ist, dann sagen die, eine Idee. Wenn man sie fragt, was Anstand ist, dann sagen die, ein Begriff. Guck dir doch diese Kinder an, die im Central Park ein paar Alkis verprügeln, wegen Drogen oder einfach nur aus Spaß. Schulen funktionieren nicht, weil die Eltern nicht funktionieren, und daran sind wieder deren Eltern schuld, weil nämlich gar nichts funktioniert, warum also soll man Energie oder Liebe oder sonst was investieren, wenn man am Ende doch angeschissen ist? Mensch, Patrick, wir alle funktionieren nicht. Dieser Junge gestern war wochenlang verschwunden, niemand hat ihn gefunden. Er war in diesem Haus, und Stunden, bevor er umgebracht wurde, wußten wir es schon, aber wir saßen in einem beschissenen Doughnutladen und haben darüber gequatscht. Dem Kind wurde der Hals durchgeschnitten, als wir eigentlich die Tür hätten eintreten müssen. «
    »Wir sind die reichste, fortschrittlichste Gesellschaft in der Geschichte der Menschheit«, warf ich ein, »aber wir können nicht verhindern, daß ein Kind in einer Badewanne von drei Monstern zerlegt wird. Warum nicht?«
    »Ich weiß es nicht.« Er schüttelte den Kopf und trat in den Sand unter seinen Füßen. »Ich weiß es wirklich nicht. Jedesmal, wenn man denkt, man hat die Lösung, kommen ein paar Aktivisten und sagen dir, daß du dich irrst. Bist du für die Todesstrafe?«
    Ich hielt ihm meinen Becher hin. »Nein.«
    Er hörte auf zu gießen. »Wie bitte?«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Nein. Sorry. Gieß doch weiter, bitte.«
    Er füllte mir den Becher und hielt dann die Flasche an die Lippen. »Du hast Corwin Earle von hinten in den Kopf geballert und willst mir jetzt erzählen, daß du gegen die Todesstrafe bist?«
    »Ich bin der Meinung, daß unsere Gesellschaft nicht das Recht dazu besitzt und die Intelligenz schon gar nicht. Die Gesellschaft soll mir erst mal beweisen, daß sie vernünftige Straßen bauen kann, danach können wir mal über die Entscheidung über Leben und Tod reden.«
    »Aber trotzdem hast du gestern jemanden exekutiert.«
    »Rechtlich gesehen hatte er die Hand an der Waffe. Und außerdem bin ich nicht die Gesellschaft.«
    »Was soll denn der Scheiß schon wieder heißen?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Mir selbst vertraue ich. Mit meinen Taten kann ich leben. Aber der Gesellschaft vertraue ich nicht.«
    »Und deshalb