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Kein Kinderspiel

Kein Kinderspiel

Titel: Kein Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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aufdrehte. Mit einem Schnippen des Daumens landete der Deckel im Sand. »Ist schon eine Belastung, wenn man so gut aussieht. Hähä.« »Wie geht’s Poole?«
    Broussard schüttelte mehrmals den Kopf. »Unverändert. Er lebt, aber nur durch die Geräte. Er hat noch nicht wieder das Bewußtsein erlangt.«
    Ich setzte mich neben ihn auf die Schaukel. »Und die Aussichten?«
    »Nicht gut. Selbst wenn er überlebt - er hat in den letzten dreißig Stunden mehrere Schlaganfälle gehabt, sein Gehirn hat längere Zeit keinen Sauerstoff bekommen. Wenn er überlebt, ist er teilweise gelähmt, meinen die Ärzte, wahrscheinlich auch taub. Er wird nie wieder aus dem Bett herauskommen.«
    Ich erinnerte mich an den Nachmittag, als ich Poole kennengelernt hatte, an das erste Mal, als ich sein seltsames Ritual mit der Zigarette gesehen hatte, an der er erst schnupperte und die er dann entzweibrach, und wie er mir mit seinem Koboldgrinsen ins Gesicht geschaut und gesagt hatte: »Entschuldigen Sie bitte. Ich habe aufgehört.« Und als Angie ihn fragte, ob es ihn störe, wenn sie rauchte, hatte er geantwortet; » Ach, würden Sie das wirklich für mich tun?«
    Scheiße. Mir war gar nicht klargeworden, wie sehr ich ihn mochte.
    Kein Poole mehr. Keine schalkhaften Bemerkungen mehr, die mit einem wissenden, belustigten Leuchten in den Augen gemacht wurden.
    »Tut mir leid, Broussard.«
    »Remy «, korrigierte er mich und reichte mir einen Plastikbecher. »Man weiß ja nie. Er ist der härteste Hund, den ich je gekannt habe. Hat einen unglaublich starken Lebenswillen. Vielleicht schafft er es. Wie steht’s mit dir?«
    »Hä?«
    »Dein Lebenswille!«
    Ich wartete, bis er den Becher zur Hälfte mit Rum gefüllt hatte.
    »War schon mal größer«, antwortete ich.
    »Meiner auch. Ich pack’ es einfach nicht.«
    »Was?«
    Er hob die Flasche, und wir stießen schweigend miteinander an und tranken.
    »Ich bekomme es nicht in den Kopf«, sagte Broussard, »warum mich das so fertigmacht, was ich in dem Haus gesehen habe. Ich meine, ich hab schon “ne Menge Scheiße gesehen.« Er beugte sich vor und sah mich über die Schulter an. »Furchtbare Sachen, Patrick. Babys, die Abflußreiniger in der Flasche hatten, erwürgte Kinder, andere waren so geschlagen worden, daß ihre richtige Hautfarbe nicht mehr zu erkennen war.« Langsam schüttelte er den Kopf, «‘ne Menge Scheiße. Aber irgendwas in diesem Haus…«
    »Der kritische Punkt«, warf ich ein.
    »Hä?«
    »Der kritische Punkt«, wiederholte ich. Ich nahm wieder einen Schluck Rum. Noch floß er nicht wie Öl, aber es würde nicht mehr lange dauern. »Du siehst etwas Furchbares, eine einzelne Sache nur, und es ist vorbei. Gestern haben wir so viele schlimme Sachen gesehen, da war der kritische Punkt erreicht.«
    Er nickte. »So was Schlimmes wie in diesem Keller hab ich noch nie gesehen. Und das Kind in der Badewanne!« Er schüttelte den Kopf. »Da fehlen mir nur noch ein paar Monate bis zum zwanzigsten Dienst Jubiläum, und dann…« Er nahm noch einen Schluck und schüttelte sich, weil der Alkohol so brannte. Dann warf er mir ein schwaches Lächeln zu.
    »Weißt du, was Roberta machte, als ich sie erschoß?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Sie kratzte wie ein Hund an der Tür. Ehrlich! Kratzte und laulte und heulte um ihren Leon. Ich war gerade aus dem Keller gekommen, hatte gerade diese beiden Kinderskelette in Kalk und Schotter versunken gefunden, das Ganze war eher eine Scheiß Geisterbahn, und dann sah ich Roberta da oben auf der Treppe. Mann, ich hab nicht mal geguckt, wo sie ihre Waffe hatte. Ich hab einfach nur losgeballert.« Er spuckte in den Sand. »Sie soll verrecken! Die Hölle ist noch viel zu gut für diese Nutte!«
    Eine Weile saßen wir schweigend da und lauschten den quietschenden Ketten der Schaukeln. Auf der Straße fuhren Autos vorbei, vom Parkplatz der Elektronikfirma auf der anderen Straßenseite hörten wir ein Kratzen und Schlagen, dort spielten ein paar Kinder Hockey.
    »Die Skelette?« fragte ich Broussard nach einiger Zeit.
    »Nicht identifiziert. Das einzige, was mir der Amtsarzt sagen konnte, war, daß es sich um ein männliches und ein weibliches Skelett handelt. Er glaubt, beide sind nicht älter als neun und nicht jünger als vier. Er braucht noch eine Woche, bis er was weiß.«
    »Zahnabdrücke?«
    »Daran haben die Tretts auch gedacht. Beide Skelette weisen Spuren von Salzsäure auf. Der Arzt meint, die Tretts hätten die Kinder in der Scheiße eingeweicht

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