Kein Kinderspiel
bist du Detective geworden, Patrick? Das Gesülze vom edlen Ritter und so weiter?«
Ich schüttelte den Kopf. »Scheiß auf das Gesülze.«
Er lachte.
»Ich bin Detektiv, weil… keine Ahnung, vielleicht weil ich immer gespannt bin, was als nächstes passiert. Vielleicht reiße ich den Menschen gern ihre Maske vom Gesicht. Deshalb bin ich noch lange kein guter Mensch. Ich mag nur einfach keine Leute, die sich verstecken und vorgeben, etwas zu sein, was sie nicht sind.«
Er hob die Flasche, und ich stieß mit dem Plastikbecher an.
»Was ist, wenn einer vorgibt, etwas zu sein, weil ihm die Gesellschaft diese Rolle zuweist, er aber in Wirklichkeit ganz anders ist, nämlich so, wie er es für richtig hält?«
Ich schüttelte den Kopf trotz des Alkohols. »Erklär mir das noch mal.« Ich erhob mich. Meine Beine waren wackelig. Ich ging zum Klettergerüst vor den Schaukeln und hockte mich auf eine Sprosse.
»Wenn die Gesellschaft kaputt ist, wie sollen wir als vorgeblich ehrenwerte Menschen dann in ihr leben?«
»Am Rande«, antwortete ich.
Er nickte. »Genau. Doch irgendwie müssen wir mit der Gesellschaft klarkommen, sonst sind wir… ach, sonst sind wir abgedrehte Anarchos, Typen in Tarnanzügen, die sich über die Steuern aufregen und gleichzeitig über die Straßen fahren, die der Staat geteert hat. Stimmt’s?«
»Denke schon.«
Er richtete sich schwankend auf und griff nach der Kette der Schaukel. Dann neigte er sich nach hinten und verschwand in der Dunkelheit. »Ich hab’ mal einem Typen Beweisstücke untergeschoben.«
»Du hast was?«
Er beugte sich wieder vor, so daß das Licht wieder auf ihn fiel. »Echt. Das Schwein hieß Carlton Volk. Er hat monatelang Nutten vergewaltigt. Monatelang! Ein paar Luden haben versucht, ihn langzumachen, aber er hat sie verarscht. Carlton war ein echter Irrer, eine Kampfmaschine, einer, der sich selbst im Knast Respekt verschaffte. Mit dem konnte man nicht reden. Da hat mich unser Kumpel Ray Likanski angerufen und mir alles haarklein erzählt. Schätze, Skinny Ray hatte was für eine von den Nutten übrig. Egal. So, nun wußte ich, daß Carlton Volk die Nutten vergewaltigt, aber wie sollte er in den Knast kommen? Selbst wenn die Mädels ausgesagt hätten, was sie nicht wollten, wer hätte ihnen geglaubt? Wenn eine Nutte sagt, sie ist vergewaltigt worden, halten das alle für einen schlechten Witz. Als ob man eine Leiche umbringt - technisch nicht möglich. Ich wußte aber, daß Carlton schon zweimal >lebenslänglich< hatte und nur auf Bewährung draußen war; da hab’ ich eine Unze Heroin und zwei nicht registrierte Waffen in seinem Kofferraum versteckt, tief unter dem Ersatzreifen, wo er sie nie finden würde. Dann hab’ ich eine abgelaufene Plakette über die gültige auf seinem Nummernschild geklebt. Wer guckt schon auf seine eigene Plakette, solange er nicht zur Inspektion muß?« Wieder verschwand er kurz in der Dunkelheit. »Zwei Wochen später wird Carlton wegen der alten Plakette angehalten, er regt sich tierisch auf, und das Schicksal nimmt seinen Lauf. Lange Rede, kurzer Sinn: Er wird als Schwerverbrecher zu zwanzig Jahren verurteilt, ohne Chance auf Bewährung. «
Ich wartete mit der Antwort, bis er wieder im Licht zu sehen war.
»Meinst du, das war richtig so?«
Er zuckte mit den Schultern. »Für die Nutten war es richtig, ja.«
»Aber…«
»Ein Aber gibt’s immer, wenn man so eine Geschichte erzählt, oder?« Er seufzte. »Aber so ein Schwein wie dieser Carlton, der blüht im Bau richtig auf. Hat jetzt wahrscheinlich mehr Jugendliche zur Verfügung, die wegen Einbruchs und ein bißchen Dealerei sitzen, als er jemals hätte Nutten vergewaltigen können. War es also für unsere Gesellschaft im ganzen richtig, was ich getan habe? Eher nicht. War es richtig für ein paar Nutten, um die sich sonst keiner geschert hat? Vielleicht ja.«
»Würdest du es noch einmal tun?«
»Patrick, das wüßte ich mal gerne von dir: Was würdest du mit einem Kerl wie Carlton machen?«
»Womit wir wieder bei der Todesstrafe wären, oder?«
»Bei der persönlichen Entscheidung«, korrigierte er, »nicht bei der Entscheidung der Gesellschaft. Hätte ich den Mumm gehabt, ihn umzunieten, wäre überhaupt niemand mehr von ihm geschändet worden. Da gibt es kein Wenn und Aber. Das ist einfach so.«
»Aber die Jugendlichen im Knast werden dann halt von jemand anders vergewaltigt.«
Er nickte. »Für jede Lösung gibt es ein neues Problem.«
Ich trank noch einen
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